Blog
Blog
4. November 2021

Wir stimmen ab: die Justiz-Initiative

Ende November wird über drei Vorlagen abgestimmt – unter anderem die Justiz-Initiative. Sie verlangt, dass die Bundesrichter:innen in der Schweiz künftig per Losverfahren bestimmt werden. Was es mit der Initiative auf sich hat, darüber hat Discuss it mit Nenad Stojanović (Initiativkomitee) und Heidi Z’graggen (Gegenkomitee) gesprochen.

Bundesgericht, Gewaltenteilung, Losverfahren – hört sich kompliziert an? Wir beantworten für dich die sechs wichtigsten Fragen zur Justiz-Initiative.

Was macht eigentlich das Bundesgericht?

Das Bundesgericht mit Sitz in Lausanne ist eine der drei nationalen Gewalten in der Schweiz. Während das Schweizer Parlament Gesetze erstellt (= Legislative) und der Bundesrat diese ausführt (= Exekutive), prüft das Bundesgericht, ob die Gesetze eingehalten werden (= Judikative). Es entscheidet also als letzte Instanz über Rechtsfragen in der Schweiz. Dieses dreigeteilte System nennt man auch Gewaltenteilung. Damit soll verhindert werden, dass eine einzelne Person oder Gruppe zu viel Macht hat.

Wie wird man Bundesrichter:in?

Das Bundesgericht umfasst 38 vollamtliche und 19 nebenamtliche Richter:innen. Sie sind ausgebildete Jurist:innen und werden durch die Vereinigte Bundesversammlung (National- und Ständerat) jeweils für eine Amtszeit von sechs Jahren gewählt. Das Parlament achtet dabei freiwillig darauf, dass die Schweizer Landessprachen, Regionen und auch die Parteien bei den Richter:innen proportional zur Bevölkerung vertreten sind. Das bedeutet, dass es in der Praxis kaum je parteilose Bundesrichter:innen gibt, da diese fast keine Chance haben, gewählt zu werden. Der letzte parteilose Richter wurde vor knapp 80 Jahren gewählt.

Was verlangt die Justiz-Initiative?

Gemäss Justiz-Initiative soll die Wahl der Bundesrichter:innen künftig wie folgt ablaufen: Eine vom Bundesrat gewählte Fachkommission prüft zunächst die Kandidierenden für das Amt als Bundesrichter:in auf ihre fachliche und persönliche Kompetenz, also ob sie zum Beispiel eine juristische Ausbildung abgeschlossen haben. Aus allen qualifizierten Bewerber:innen sollen anschliessend die neuen Richter:innen per Losverfahren bestimmt werden. Ausserdem sollen die Bundesrichter:innen künftig nicht alle sechs Jahre neu gewählt werden, sondern bis fünf Jahre nach der Pension im Amt bleiben können. Eine Wiederwahl wäre also nicht mehr nötig.

Was ist das Losverfahren?

Das Losverfahren in der Politik (Fachbegriff: “Demarchie”) hat seine Wurzeln im antiken Griechenland. In Athen wurden damals Politiker und Beamte (damals waren diese Ämter Männern vorbehalten) nicht gewählt oder bestimmt, sondern aus einem Topf mit geeigneten Kandidaten zufällig gezogen. Damit sollten Korruption und Gewalt im Wahlkampf verhindert und das Prinzip der Gleichheit gefördert werden. Auch in der Schweiz wurden Ämter ab dem 17. Jahrhundert teilweise im Losverfahren vergeben. Glarus schuf dieses Prinzip als letzter Kanton im 19. Jahrhundert wieder ab.

Was sagen die Befürwortenden?

Nenad Stojanović (Politologe, Mitglied des Initiativkomitees und der SP) stellt zwei Anforderungen an die Schweizer Bundesrichter:innen: «Was wollen wir von den Richter:innen? Wir wollen, dass sie kompetent und unabhängig sind.» Die Befürwortenden finden, dass diese beiden Punkte mit der Justiz-Initiative besser gewährleistet werden könnten, als sie es im heutigen Wahlverfahren sind. Durch die vom Bundesrat genannte Expertenkommission würden die Kandidat:innen spezifisch auf ihre Kompetenz geprüft. Durch das Losverfahren hätten auch parteilose Richter:innen eine Chance, gewählt zu werden, was wiederum die Unabhängigkeit der Bundesrichter:innen fördern würde. Ausserdem sei so die Schweizer Bevölkerung, von der nur fünf Prozent Mitglied einer Partei sind, so besser repräsentiert.

Was sagen die Gegner:innen?

Die Gegner:innen finden nicht, dass die Kompetenz oder Unabhängigkeit der Bundesrichter:innen heutzutage gefährdet sei. «Die Richter:innen sind hochprofessionalisiert, fachlich sehr gut, sowohl von der Ausbildung, als auch von den Erfahrungen her», so Heidi Z’graggen (Mitglied der Mitte und im Komitee «Nein zur Justiz-Initiative»). Auch die Unabhängigkeit sehen sie nicht als gefährdet an – gemäss Bundesverfassung müssen die Bundesrichter:innen nämlich in der Ausübung ihres Amtes unabhängig sein. Stattdessen fürchten die Gegner:innen der Initiative, dass durch die zufällige Auslosung der Bundesrichter:innen die angemessene Vertretung der Landessprachen, Regionen und Parteien nicht mehr gewährleistet werden und so ein Ungleichgewicht entstehen könnte.

Und jetzt du!

Fördert das Losverfahren die Unabhängigkeit der Bundesrichter:innen oder gefährdet es die Repräsentativität? Schreib uns deine Meinung in die Kommentare und stimm am 28. November ab!

Erstellt von Alina Zumbrunn