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25. Juni 2021

Wie weiter mit der Schweizer Klimapolitik?

Am 13. Juni hat die Schweizer Stimmbevölkerung das CO2-Gesetz mit 51.6% Nein-Stimmen versenkt. Discuss it fasst für dich zusammen, welche Optionen der Schweiz nun in Sachen Klimapolitik noch bleiben.

Anderthalb Wochen ist es her, seit die Schweiz nach einem intensiven und hochemotional geführten Abstimmungskampf über nicht weniger als fünf Vorlagen abgestimmt hat. Darunter war auch das CO2-Gesetz. Das vom Parlament beschlossene Gesetz hätte verschiedene Massnahmen vorgesehen, mit denen die Schweiz bis 2050 einen Treibhausgasausstoss von Netto Null hätte erreichen sollen. Das heisst: Die Schweiz hätte ab dann nicht mehr CO2 ausstossen dürfen, als die Natur aufnehmen und wieder abbauen kann.

Obwohl das CO2-Gesetz von allen grossen Parteien ausser der SVP unterstützt wurde, fiel es am 13. Juni bei der Stimmbevölkerung durch. 51,6 Prozent der Stimmbürger:innen lehnten das CO2-Gesetz ab, dies bei einer aussergewöhnlich hohen Stimmbeteiligung von 59,7 Prozent. Warum ist die Vorlage trotz einer breiten Koalition, welche diese unterstützt hatte, gescheitert? Darüber gingen im Nachgang der Abstimmung die Meinungen weit auseinander und die Parteien, die der Verliererseite angehörten, übertrumpften sich darin, sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Das Pariser Klimaabkommen ist rechtlich bindend

So wiesen insbesondere die linken Parteien darauf hin, dass die Mehrheit der Wähler:innen von FDP und der Mitte das CO2-Gesetz ablehnten, obwohl beide Parteien zuvor die Ja-Parole gefasst hatten. Andere sahen die Schuld beim Klimastreik, dessen Anhänger:innen zumindest in Teilen nur halbherzig für das CO2-Gesetz kämpften oder sogar gar keine Position bezogen. Wieder andere schoben die Schuld der zuständigen Umweltministerin Simonetta Sommaruga zu: Sie habe einen strategischen Fehler begangen, die CO2-Abstimmung auf das gleiche Datum wie die beiden Agrarinitiativen zu legen. Diese hätten viele Leute gerade in ländlichen Gebieten aufgeschreckt und darum für eine hohe Mobilisierung im Nein-Lager gesorgt. Denn wer die beiden Agrarinitiativen ablehnte, lehnte in der Tendenz auch das CO2-Gesetz ab, so das Argument der Kritiker:innen.

Schuldzuweisungen hin oder her, die Schlappe für den Bundesrat und die Mehrheit der Parteien beim CO2-Gesetz hat für die Schweiz direkte Konsequenzen. Denn ganz unabhängig davon, wie dringlich man das Problem beim Klimawandel einschätzt, muss die Schweiz handeln. Nach der verlorenen Abstimmung vom 13. Juni steht sie nämlich ohne konkreten Plan da, wie sie den CO2-Ausstoss in Zukunft signifikant verringern kann. Genau dazu hat sich die Schweiz aber verpflichtet, als sie 2015 zusammen mit 195 anderen Staaten das Pariser Klimaabkommen unterschrieb. Dieses will die globale Erderwärmung auf «deutlich unter 2 Grad Celsius» begrenzen.

Das Spezielle am Pariser Klimaabkommen: Anders als andere internationale Beschlüsse, die oft nicht über allgemeine Absichtserklärungen hinausgehen, ist das Pariser Klimaabkommen rechtlich bindend. Heisst so viel wie: Präsentiert die Schweiz nicht bald einen griffigen Klimaplan, der mit den Pariser Zielen in Einklang steht, könnten ihr Konsequenzen drohen. Das sind die Optionen, die die Schweiz nach dem gescheiterten CO2-Gesetz in Sachen Klimapolitik hat:

1. Ein neues CO2-Gesetz

Die Befürworter:innen des CO2-Gesetzes bemühten sich nach der verlorenen Abstimmung zu betonen, dass das Nein zum CO2-Gesetz in ihren Augen kein Nein zu mehr Klimaschutz sei, sondern bloss ein Nein zu diesem spezifischen Gesetz. Die FDP forderte in der Folge ein «liberales, bürgerliches CO2-Gesetz» und sogar die SVP deutet an, dass sie dafür zu haben sei. «Wollen wir eine vernünftige Energiepolitik in diesem Land machen, braucht es alle bürgerlichen Kräfte», sagte SVP-Generalsekretär Peter Keller in der Aargauer Zeitung.

Es herrscht von links bis rechts also Einigkeit, dass die Schweiz – trotz dem Nein am 13. Juni – ein neues CO2-Gesetz braucht. Neben der Frage, wie dieses konkret aussehen soll, stellt sich noch eine weitere Herausforderung: Ein solches Gesetz braucht im Normalfall Jahre, bis es fertig ausgearbeitet und vom Parlament abgesegnet ist. Die Botschaft des Bundesrats über das CO2-Gesetz, das am 13. Juni abgelehnt wurde, stammt aus dem Dezember 2017 – bis wir darüber abstimmen konnten, vergingen also dreieinhalb Jahre. Klimaexpert:innen aber sind überzeugt: Eine Klimadebatte, die sich erneut über Jahre hinzieht, kann sich die Schweiz eigentlich nicht mehr leisten, will sie die Pariser Klimaziele erreichen.

Hinzu kommt ein zweites Problem: Für Kritiker:innen  insbesondere die grünen und linken Parteien  ist es alles andere als klar, ob die von SVP, FDP und Mitte geforderte «bürgerliche Klimapolitik» genügend griffige Massnahmen enthalten wird, damit die Pariser Klimaziele erreicht werden. Einen Vorgeschmack darauf gibt FDP-Nationalrat Peter Schilliger. Er fordert, das Parlament solle diejenige Version des CO2-Gesetzes hervorholen, die der Nationalrat 2018 versenkt hatte. Gescheitert war das Gesetz damals vor allem am Widerstand von SP und Grünen, die das Gesetz als «verwässert» bezeichneten, weil es ihres Erachtens nicht taugte, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Schilliger findet aber gegenüber der «Schweiz am Wochenende»: «Es ist besser, 60 Prozent ins Ziel zu bringen, als gar nichts.» Er findet die alte Version des Gesetzes wirtschaftsfreundlich, unter anderem weil sie ohne Flugticketabgabe oder Klimafonds auskommt.

2. Gletscherinitiative

Die sogennante “Gletscherinitiative” wurde in den vergangenen Tagen von vielen als Plan B zum CO2-Gesetz bezeichnet. Die Volksinitiative wurde im November 2019 eingereicht und verlangt, genau wie das abgelehnte CO2-Gesetz, dass der CO2-Ausstoss in der Schweiz bis 2050 auf Netto Null sinkt. Dazu fordert die Initiative ein Verbot fossiler Brennstoffe – also zum Beispiel Benzin, Heizöl oder Kerosin – ab 2050.

Die Initiant:innen arbeiten eng mit der Wissenschaft zusammen. Im Beirat des Initiativkomitees sitzen 28 Wissenschaftler:innen, darunter der bekannte ETH-Klimaphysiker Reto Knutti. Im Gegensatz zum CO2-Gesetz, das vor allem in ländlichen Gebieten einen schweren Stand hatte, hoffen die Unterstützer:innen der Gletscherinitiative, mit ihren Anliegen die Schweiz einen zu können: «Wir sind genauso auf dem Land zu Hause wie in der Stadt», sagt Michèle Andermann, Verantwortliche «Politik» beim Verein Klimaschutz, der die Initiative lanciert hat, gegenüber der «Sonntagszeitung». Die Klimafrage sei eine gesellschaftliche und keine politische Frage.

Der Bundesrat möchte der Initiative einen direkten Gegenvorschlag entgegensetzen. Darin enthalten sein soll das Netto-Null-Ziel bis 2050, nicht aber das Verbot fossiler Brennstoffe. Je nachdem, wie lange das Parlament über die Initiative respektive den Gegenvorschlag berät, könnten wir schon/spätestens? in der zweiten Jahreshälfte 2022 über beides abstimmen.

3. Eine ganz neue Initiative?

Die Ziele der Gletscherinitiative gehen manchen zu wenig weit. Insbesondere der Klimastreik und die Jungen Grünen würden sich noch schärfere Massnahmen im Kampf gegen den Klimawandel wünschen. Der Klimastreik setzt sich für eine Schweiz ein, die schon ab 2030 klimaneutral ist. Die Jungen Grünen haben deshalb die «Umweltverantwortungsinitiative» lanciert. Im Kern verlangt diese, dass wirtschaftliche Tätigkeiten in der Schweiz nur so viel Ressourcen verbrauchen und Schadstoffe ausstossen dürfen, damit die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben. 

Die Stichworte heissen hier Verzicht und Kapitalismuskritik. «Es gibt keinen grünen Kapitalismus», steht zum Beispiel auf vielen Transparenten von Klimademonstrant:innen. Ob die Initiative zustande kommt, ist noch nicht klar. Und ob sie dann an der Urne eine Mehrheit finden wird, erst recht nicht – insbesondere in Anbetracht des Ständemehrs, das es zu überwinden gälte.

Und jetzt du: Welche Option aus der “Klimasackgasse” findest du die beste? Schreib es uns in die Kommentare oder hinterlass uns einen Post auf Social Media.

 
Erstellt von Reto Heimann