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23. März 2022

Was hat der Benzinpreis mit Politik zu tun?

Der Benzinpreis ist in den letzten Wochen in die Höhe geschnellt. Was gab den Anstoss dazu und welche politischen Diskussionen wurden mit dem Anstieg losgetreten? Wie wirken sich die höheren Preise auf den «Tank-Tourismus», auf die ÖV-Nutzung und die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen aus? Discuss it hat für euch nachgeforscht und zusammengefasst.

Wenn ihr in den letzten Wochen tanken wart oder eure Eltern, Freund:innen oder Arbeitskolleg:innen beim Gang zur Tankstelle begleitet habt, dann zeigte sich schweizweit fast überall das gleiche Bild: Benzinpreise weit über zwei Franken. Die hohen Preise sind nicht nur in der Schweiz Diskussionsthema, sondern werden auch in unseren Nachbarländern heiss diskutiert. Selbst Präsidentschaftswahlen könnten durch die hohen Benzinpreise beeinflusst werden.

Krieg in der Ukraine: Rohölpreis explodiert

Die Benzinpreise sind aufgrund des stark gestiegenen Rohölpreises in den letzten Wochen regelrecht explodiert. Noch vor einem Jahr kostete ein Barrel (159 Liter) Rohöl gut 60 US-Dollar. Doch in der Zwischenzeit ist vieles geschehen, insbesondere haben sich die Geschehnisse mit der Zuspitzung des Krieges in der Ukraine überschlagen. So kostete bereits Anfang Februar ein Barrel Rohöl rund 80 US-Dollar und erreichte am 8. März den bisherigen Höchstwert von 139 Dollar. Nicht einmal zehn Tage später gab der Preis um gut 40 Dollar nach und steigt seither wieder in Richtung 120 US-Dollar.

Der Rohölpreis wird durch viele verschiedene Faktoren beeinflusst. Gibt es etwa Hinweise auf eine Ölknappheit, dann steigt in der Regel der Preis. Denselben Effekt zeigt sich bei einer wachsenden Nachfrage an Kraftstoffen. Zurzeit spielen beide Faktoren eine gewichtige Rolle bei der Preisbildung. Nach den monatelangen Corona-Einschränkungen sind Reisen wieder vermehrt möglich, wodurch sich die Kraftstoff Nachfrage erhöht. Ausserdem steigt mit dem Krieg in der Ukraine und den ausgesprochenen Sanktionen gegen Russland die Unsicherheit bezüglich der Versorgungssicherheit mit Rohöl, da Russland zu den wichtigen Lieferanten von Erdöl gehört. Diese Unsicherheit verstärkt sich zudem mit der Haltung der 23 ölfördernden OPEC+ Staaten. Sie zeigen sich momentan nämlich nicht gewillt, die Förderquote gross zu steigern. So spitzt sich die Energiekrise in Europa weiter zu und der Ölmarkt bleibt unberechenbar. Wie lange diese Situation anhält, ist schwierig vorauszusagen.

Doch Rohöl ist nicht gleich Benzin. Wie wird denn das Benzin aus dem Rohöl gewonnen?

Die OPEC (Organisation of the Petroleum Exporting Countries) ist ein internationales Öl-Kartell, das aus 13 Mitgliedstaaten besteht und 1960 gegründet wurde. Mitgliedstaaten sind beispielsweise: Irak, Iran, Republik Kongo, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Venezuela und einige mehr. Zusammen besitzen sie über 75 Prozent der weltweiten Ölreserven und fördern rund 40 Prozent der weltweiten Erdölproduktion. Da der Marktanteil der OPEC Staaten in den letzten Jahren laufend gesunken ist, spannen sie immer öfters auch mit nicht-OPEC Staaten wie zum Beispiel mit Russland, Kasachstan, Mexiko und dem Oman zusammen. Diesen grösseren Gemeinschaftsbund bezeichnet man als OPEC+.

Vom Rohöl zu Benzin

Das Rohöl wird an den Märkten für einen bestimmten Preis erstanden und anschliessend in eine Raffinerie transportiert. Mit diversen chemischen und physikalischen Verfahren gewinnt man daraus unterschiedliche Kraftstoffsorten, so auch das Benzin. Das Rohöl ist zu Beginn nämlich ein Gemisch aus Kohlenwasserstoff, Schwefel, Sauerstoff, Stickstoff und diversen Metallen. Im ersten und wichtigsten Schritt muss nun das Rohöl destilliert werden, so dass es im Nachhinein in seinen Bestandteilen vorliegt. Danach beginnt die aufwendige Verarbeitung zur gewünschten Kraftstoffsorte, die letzten Endes an die Konsument:innen gelangt.

Wie reagieren denn nun die Konsument:innen, wenn die Benzinpreise an der Tankstelle so stark ansteigen?

Steigt der «Tank-Tourismus» und profitieren der ÖV und die Elektromobilität?

Discuss it hat bereits in einem früheren Blog Beitrag den Einkaufstourismus unter die Lupe genommen. Mit den stark gestiegenen Benzinpreisen verstärkt sich nun ein ähnliches Einkaufsverhalten: das des «Tank-Tourismus». Die Hochschule St. Gallen (HSG) hat dies untersucht und stellte im Rheintal zur Grenze zu Österreich einen 25 prozentigen Anstieg von Kartenzahlungen von Schweizer:innen im Nachbarland fest. Der Vergleich wurde mit den Zahlen von 2019 angestellt und beinhaltet somit keine Verzerrungen, welche durch die Corona-Massnahmen entstanden sein mögen. Österreich hat momentan einen deutlich tieferen Benzinpreis als die Schweiz, unter anderem auch aufgrund des tiefen Euro-Kurses.
Ob nun aufgrund des gestiegenen Benzinpreises mehr Menschen den öffentlichen Verkehr nutzen, das konnte die SBB vor zwei Wochen noch nicht bestätigen. Es sei zwar ein Anstieg zu verzeichnen, doch dies könnte, so die SBB, auf verschiedene Gründe zurückzuführen sein.

Wenn die Menschen den ÖV nicht häufiger nutzen, versuchen sie dann vielleicht durch den Umstieg auf ein Elektroauto den hohen Benzinpreisen zu entkommen?
Elektroautos sind schon länger gefragt, doch die steigenden Benzinpreise scheinen tatsächlich einen weiteren positiven Effekt auf die Nachfrage zu haben. So vermelden verschiedene Händler:innen einen regelrechten Ansturm auf Elektroautos, wodurch es sogar zu Lieferengpässen kommt.

Die hohen Benzinpreise lösen jedoch nicht nur einen Ansturm auf österreichische Tankstellen und Elektroautos aus, sondern erzeugen auch viele Diskussionen auf politischer Ebene.

Deutschland untersucht, Frankreich wählt

Als der Rohölpreis vor wenigen Tagen wieder unter 100 US-Dollar sank und die Benzinpreise nicht sofort im gleichen Mass zurückgingen, wurde Kritik laut. In Deutschland wurde deswegen gar eine Untersuchung eingeleitet. Das Bundeskartellamt will die stark gestiegenen Benzinpreise genauer beleuchten, insbesondere dann, wenn die Preise bei niedrigerem Rohölpreis weiter steigen sollten. Auch in der Schweiz äusserte sich Bundesrätin und Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga zu diesem Thema. Sie erwarte, dass die Konsument:innen den Rohölpreisrückgang auch an der Zapfsäule zu spüren bekommen sollten.
Der Benzinpreis hängt jedoch nicht allein vom Rohölpreis ab, sondern auch von den Raffinerien. In der Schweiz gibt es bloss eine, nämlich im Kanton Neuenburg in Cressier. Der Grösste Teil des verkauften Benzins in der Schweiz stammt aus Raffinerien in Deutschland und der Niederlande. Ein gewichtiger Teil der Preisbildung ist also auf die ausländischen Raffinerien zurückzuführen.

Doch nicht nur in Deutschland lösten die Benzinpreise Diskussionen aus. In Frankreich steht im nächsten Monat die Präsidentschaftswahl bevor, wobei die hohen Benzinpreise im Wahlkampf eine gewichtige Rolle spielen könnten. Wer auf welche Weise mit den hohen Preisen umzugehen vorhat, könnte je nachdem weitere wichtige Stimmen gewinnen oder verlieren. So berichtete es die SRF Tagesschau Hauptausgabe vom 20. März. Die aktuelle Regierung unter Emmanuel Macron, der sich zur Wiederwahl stellt, hat seinerseits bereits einen Benzin-Rabatt von 15 Cents pro Liter ab dem 1. April angekündigt.

Welche Massnahmen fordert die Schweizer Parteienlandschaft?

Auch in der Schweiz sind mittlerweile verschiedene Forderungen laut geworden, wie mit dem hohen Benzinpreis umgegangen werden sollte. Welche unterschiedlichen Meinungen gibt es?

Die SVP fordert beispielsweise den Bundesrat auf, vorübergehend ganz oder teilweise auf die Mineralölsteuer zu verzichten. Wobei sich die Mineralölsteuer auf ungefähr 77 Rappen pro Liter Benzin beläuft.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums äusserte sich Balthasar Glättli, Parteipräsident der Grünen, in der NZZ am Sonntag vom 13. März ebenfalls zu diesem Thema. Er verlangt, dass der Bund autofreie Sonntage einführe, wie dies bereits in den 1970er Jahren bei der Ölkrise gemacht worden sei. Des Weiteren will Glättli auf der Autobahn Tempo 80 oder 100 einführen sowie die Nationalstrassenbeleuchtung in der Nacht reduzieren.
In der Mitte Partei finden sich verschiedene Lösungsansätze. So fordert beispielsweise Mitte-Fraktionschef Philipp Bregy eine staatliche Abfederung des Benzinpreises. Damit soll der Preis auf ein Niveau von vor drei Wochen gesenkt werden. Demgegenüber spricht sich Mitte-Ständerat Pirmin Bischof eben gerade gegen eine solche generelle Benzinpreissenkung aus. Er möchte stattdessen Tankgutscheine für diejenigen Menschen ausgeben, die auf das Benzin angewiesen sind.

Was denkst du?

Wie stark betreffen dich die erhöhten Benzinpreise? Braucht es deiner Meinung nach Massnahmen, um die Benzinpreise zu senken? Wie stehst du zu einem autofreien Sonntag oder Tempo 80 / 100 auf der Autobahn? Lass uns deine Meinung wissen!

Erstellt von Manuel Bucher