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12. August 2021

Tiergerecht: ja oder nein?

Die Olympischen Sommerspiele in Tokio fanden aufgrund von Corona-Massnahmen grösstenteils ohne Zuschauer in den Stadien statt. Doch die Faszination an den Spielen ist ungebrochen. So verfolgte ein grosser Teil der Welt zwei Wochen lang gebannt die Geschehnisse rund um die verschiedenen Sportwettkämpfe. Es wurden etliche neue Olympia-Geschichten geschrieben, negative wie auch positive. Der Wettkampf des Modernen Fünfkampfs – eine Vielfältigkeitssportart mit den Disziplinen Pistolenschiessen, Degenfechten, Schwimmen, Springreiten und Querfeldeinlauf – löste eine grosse Debatte aus, inwiefern Leistungssport im Reiten mit dem Wohl der Tiere vereinbar ist. Was ist geschehen? Und in welchen Bereichen wird in der Schweiz sonst noch über das Wohl von Tieren diskutiert? Discuss it informiert.

In der Reitdisziplin besteht die Regel, dass alle Athlet:innen ein Pferd zugelost bekommen, mit dem sie privat nicht trainieren. So kam es an den Olympischen Spielen in Tokio während des Modernen Fünfkampf-Wettbewerbs der Frauen zu einer denkwürdigen Szene, als sich das zugeloste Pferd den Befehlen der Deutschen Reiterin Annika Schleu verweigerte, worauf ihr Traum, eine olympische Medaille zu gewinnen, geplatzt war. Sowohl Reiterin, als auch das Pferd waren während des Wettkampfes sichtlich überfordert, was dazu führte, dass auf Anweisung der Deutschen Trainerin die Gerte zum Einsatz kam und das Pferd damit mehrfach geschlagen wurde. Dies hatte Folgen für die Bundestrainerin Kim Raisner, für Annika Schleu und wird wohl auch Folgen für den Modernen Fünfkampf haben.

Ausschluss, Hass-Kommentare, Reformforderungen

Der Weltverband des Modernen Fünfkampfs (UIPM) handelte schnell. In einer offiziellen Mitteilung verkündete der Weltverband den Ausschluss der Deutschen Bundestrainerin für den Rest der Olympischen Spiele in Tokio. Begründet wurde das Urteil durch die Sichtung von Videomaterial, das zeige, wie Kim Raisner das Pferd von Annika Schleu mit der Faust geschlagen habe – was gegen die UIPM-Wettkampfregeln verstösst.

Die von den Videokameras eingefangene ‹Gerten-Schlag-Szene› während des Wettkampfs, löste eine gewaltige Welle der Entrüstung aus. Tierschützer:innen verurteilten das Verhalten aufs Schärfste und in den sozialen Netzwerken schlug es der Deutschen Athletin Anfeindungen bis zu offenem Hass entgegen. Dies veranlasste sie nun, ihr Instagram-Profil zu löschen.

Das jetzige Reglement erlaubt den Athlet:innen des Modernen Fünfkampfs bloss eine 20-minütige Angewöhnungszeit mit den ihnen zugelosten Wettkampfpferden. Wie sich am Beispiel von Annika Schleu zeigte, kann diese kurze Angewöhnungszeit zu kurz sein, um ein Vertrauensverhältnis mit dem Pferd aufzubauen, um Überforderungssituationen vorzubeugen – beim Menschen wie auch beim Tier. Der Deutsche Verband für Modernen Fünfkampf (DVMF) fordert nun eine Anpassung des Reitreglements, damit sich solche unschönen Szenen nicht wiederholen. Eine Möglichkeit sei beispielsweise, dass man die Pferde bereits einen Tag vor dem Wettkampf den Athlet:innen zulost. Solche Reglementänderungsvorschläge wurden von Seiten des DVMF bereits ausgearbeitet und dem Weltverband UIPM vorgeschlagen.

Tiere am Limit: kein Einzelfall

Das Beispiel rund um Annika Schleu und Kim Raisner ist an den Olympischen Spielen kein Einzelfall. So wurde beispielsweise im Dressurreiten eine Athletin disqualifiziert, weil ihr Pferd aus dem Mund blutete. Auch bei einem irischen Athleten blutete das Pferd während des Parcoursrennens und trotz des starken Nasenblutens wurde der Lauf absolviert. Eine weitere Leidensgeschichte ereignete sich im Schweizer Reitteam: Nachdem sich das Pferd von Robin Godel einen Bänderriss zugezogen hatte, musste es eingeschläfert werden.
Solche Vorfälle intensivieren die Debatte rund um die Vereinbarkeit von Tierwohl und Leistungssport auf internationaler Ebene. Laut Kienapfel-Hanseleit, Verhaltensbiologin mit Spezialisierung auf Pferd-Reiter-Interaktion, sei das Pferd ein Bewegungstier, das von Natur aus lernbereit ist und Spass an Herausforderung hat. Es komme jedoch auf ein gewissen Mass an.

Auch die Schweiz kennt solche Debatten, in denen es ums Tierwohl geht, sehr gut. Lasst uns zwei Beispiele anschauen, wo immerwährende Diskussionen bezüglich des Tierwohls geführt werden.

Sind Zoos noch zeitgemäss und tiergerecht?

Zoos stehen laufend in der Kritik, die Freiheit der Tiere einzuschränken und sie nicht artgerecht zu halten. Dem gegenüber stehen die Anliegen des Zoos, die sich um stetig artgerechtere und modernere Anlagen bemühen, einen Bildungsauftrag ausführen möchten und sich mit diversen Projekten für den Umwelt- und Artenschutz einsetzen.
Geschieht ein tragischer Unfall zwischen Mensch und Tier, so wird im selben Atemzug darüber diskutiert, welche Aufgaben heutige Zoos noch haben und ob solche Institutionen noch zeitgemäss sind. Genau das passierte im Sommer letzten Jahres nach dem Tiger-Unfall am Zoo Zürich. Wer sich eine solche Diskussion anhören möchte, kann sich gerne die SRF Sendung Der Club mit dem Titel «Nach Tiger-Attacke – Warum braucht es Zoos?» [LINK] vom 14.07.2020 anschauen.

Doch das Thema wird nicht nur zwischen Fachpersonen diskutiert, denn auch die Schweizer Bevölkerung hat eine Stimme und kann massgeblich beeinflussen, wie sich die Zoos von heute weiterentwickeln. Bestes Beispiel dafür sind die versenkten Pläne des Zoos Basel 2019. Der Basler ‹Zolli› wollte ein Ozeanium bauen mit einem Grossaquarium, in dem verschiedenste Meeresbewohner zu sehen gewesen wären. Doch von Seiten verschiedener Umweltverbänden und den Basler Grünen  regte sich Widerstand, woraufhin das Referendum gegen dieses Projekt ergriffen und der Ausbau schliesslich an der Urne abgelehnt wurde.

Bärengraben wird zum Bärenpark

Ein weiteres Beispiel dafür, dass sich die Schweiz eingehend mit dem Tierwohl beschäftigt, zeigt die Entwicklung des Bärenparks in Bern. Wer die Stadt Bern besucht, besucht vielfach auch den Bärenpark, denn er ist einer der Besuchermagnete schlechthin.
Bereits im 16. Jahrhundert hielt die Stadt Bern Bären in verschiedenen Gräben. Der ursprüngliche Bärengraben, der am heutigen Standort noch zu sehen ist, existiert seit 1857 und erntete schon einiges an Kritik. In den 1980er Jahren lebten in dem alten Graben über 20 Tiere, die sich wegen Futterneid immer wieder bekämpften. Wurden es zu viele Bären, so liess man sie schiessen und ihr Fleisch fand man dann auf der Speisekarte verschiedener Berner Restaurants. Tierschützer:innen übten heftige Kritik an dieser Praxis – und die Stadt gab der Kritik schliesslich nach. So liess man beispielsweise den Handel mit Bärenfleisch ab Mitte der 80er Jahre verbieten und 2004 war die Erweiterung des Bärengrabens beschlossene Sache. Eröffnet wurde der heutige weitläufige Bärenpark dann schliesslich 2009, in dem sich nun nur noch drei Bären auf 10’000 Quadratmeter frei bewegen können.

Tiergerecht: ja oder nein?

Was denkt ihr zu den Reit-Vorfällen an den Olympischen Spielen? Muss das Reglement des Modernen Fünfkampfs angepasst werden? Oder sollten gar jegliche Sportarten mit Tieren verboten werden? Oder seht ihr gar keinen Handlungsbedarf?

Was denkt ihr über die artgerechte Tierhaltung in Zoos und Tierparks?

Lasst es uns wissen!

Erstellt von Manuel Bucher