25. Januar 2023
ÖV oder Auto – Was bewegt uns in Zukunft?
Morgens rechtzeitig auf dem Bahnsteig stehen, um mit dem Zug zur Arbeit zu fahren, oder doch ganz flexibel das Auto verwenden? Diese Frage stellen sich jeden Tag tausende Menschen in der Schweiz. Im heutigen Blog klären wir, ob der Verkehr der Zukunft auf Schiene oder Strasse stattfinden wird.
Mit der «Perspektive Bahn 2050» plant der Bund die langfristige Entwicklung und die nächsten Ausbauschritte der Eisenbahn. Auch Projekte zum Ausbau der Bahnhöfe Bern und Luzern sollen inskünftig den ÖV stärken. Ziel dieser Projekte ist es, den Verkehr von den Strassen auf die Schienen zu bringen. Findet die Mobilität der Zukunft also auf Schienen statt? Oder sollte auch der Strassenverkehr parallel dazu ausgebaut werden?
Der Schweizer Verkehr in Zahlen
24 Kilometer mit dem Auto und 9 Kilometer mit dem öffentlichen Verkehr – so viel legt jede:r Schweizer:in pro Tag im Schnitt zurück. Infrastruktur ist für diese Mobilität genug vorhanden: Das Schweizer Verkehrsnetz umfasst etwa 5’400 Kilometer Schienenwege und fast 85’000 Kilometer Strassen. Doch ob das auch in Zukunft ausreichen wird, ist unklar. Denn der Bund rechnet damit, dass die Menschen in der Schweiz künftig noch mobiler werden. Bis 2050 geht er von einer Zunahme des Verkehrs um etwa 11 Prozent aus – und plant deshalb schon heute einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Denn gemäss Bund kann die Bahn auf wenig Fläche und mit geringem Energieverbrauch eine grosse Anzahl Personen befördern. Ein Ausbau der Eisenbahn würde also auch einen Beitrag zur Klimastrategie 2050 bedeuten.
Umwelt oder individuelle Freiheit
Tatsächlich ist die Bahn im Vergleich zum Autodie umweltverträglichere Mobilitätslösung. Während man mit der Bahn für die Emission von einem Kilogramm CO2 knapp 137 Kilometer weit reisen kann, kommt man in einem durchschnittlichen Auto für ein Kilogramm CO2 gerade einmal 5.1 Kilometer weit. Und das schlägt auf die Klimabilanz: Fast 40 Prozent der CO2-Emissionen, die im Jahr 2020 ausgestossen wurden, stammen vom Verkehr – und davon mehr als zwei Drittel von Personenwagen. Wer umweltfreundlich reisen will, sollte also den Zug nehmen.
Doch nicht alle Menschen können ihren Arbeits- oder Ausbildungsweg einfach mit dem Zug zurücklegen. Denn trotz 1’772 Bahnhaltestellen gibt es immer noch viele Gebiete, die mit dem öffentlichen Verkehr nur schlecht erschlossen sind. Während man in der Stadt Zürich im Schnitt nur 150 Meter von der nächsten ÖV-Haltestelle entfernt ist, sind es im Umland in Hofstetten schon über 1’000 Meter. Ausserdem fahren de ÖV in abgelegenen Gemeinden seltener und für dieselbe Strecke benötigt man mit Bus und Bahn oft deutlich länger als mit dem Personenwagen. Das Auto schenkt also auch ein Stück Freiheit und Flexibilität, die der ÖV nicht immer bieten kann.
Wie viel uns die Mobilität kostet
Kauft man sich am Billettautomaten eine Fahrkarte, so bezahlt man damit nicht alle Kosten, die durch die Reise anfallen. Die Verkehrsteilnehmenden im ÖV bezahlen nämlich nur knapp die Hälfte der öffentlichen Verkehrskosten selbst – die andere Hälfte bezahlen Bund, Kantone und Gemeinden. Das sind über fünf Milliarden Franken pro Jahr. Finanziert wird diese Ausgabe durch den allgemeinen Bundeshaushalt und Einnahmen der direkten Bundessteuer, aber auch durch Geld, das Autofahrer:innen bezahlen – wie die Mineralsteuer oder Schwerverkehrsabgaben auf Lastwagen.
Auch Autofahren ist teuer: Für den motorisierten Strassenverkehr fallen jährliche Kosten von etwa 50 Milliarden Franken für die Verkehrsmittel, die Strassen, Unfälle sowie Umwelt- und Gesundheitsschäden an. Einen Grossteil davon – rund 86 Prozent – bezahlen die Verkehrsteilnehmer:innen selber. Entweder direkt, indem sie beispielsweise ihr eigenes Auto kaufen, oder indirekt über Steuern und Abgaben. Die restlichen Kosten für Umwelt, Unfälle und Gesundheit bezahlt die Allgemeinheit.
Autofahrer:innen subventionieren also aktuell den öffentlichen Verkehr. Dazu kommt, dass Autofahren immer günstiger wird. Aktuell kostet ein Kilometer Autofahren 51 Rappen, ein Kilometer ÖV kostet 46 Rappen. Die Kilometerkosten sind beim Auto von 2010 bis 2018 um fast 7 Prozent gesunken, während sie beim Schienenverkehr um rund 15 Prozent angestiegen sind. Lohnt es sich also, den ÖV auszubauen, wenn Autofahren ohnehin bald günstiger sein könnte?
Um die Kosten des öffentlichen Verkehrs sorgen sich auch die Initiant:innen (bestehend aus der SVP und der FDP) der «ÖV-Initiative – Damit in Zürich niemand stehen bleibt». Sie verlangen, dass, wenn im Kanton Zürich eine Gemeinde Massnahmen zur Verlangsamung des ÖV beschliesst, diese Gemeinde auch die Folgekosten davon tragen muss. Das bekannteste Beispiel ist Tempo 30: Führt eine Gemeinde eine Tempo 30-Zone ein, wird der Verkehr gemäss Initiant:innen dadurch langsamer. Um den ÖV-Betreib im gleichen Takt aufrechterhalten zu können, müssen dann beispielsweise mehr Busse fahren. Das verursacht Kosten. Diese sollen bei Annahme der Initiative von den Gemeinden getragen werden. Dadurch wollen die Initiant:innen verhindern, dass das Strassennetz überlastet und die Mobilität behindert wird.
Die Zukunft der Mobilität
Darüber, wie die Mobilität der Zukunft aussehen wird, kann nur gemutmasst werden. Einerseits wollen verschiedene Projekte den ÖV ausbauen, um seine Umweltfreundlichkeit und Platzsparsamkeit auszunutzen. Andererseits wird Autofahren im Verhältnis immer günstiger und hat den zusätzlichen Vorteil der Flexibilität. Doch selbst diese Vor- und Nachteile sind nicht absolut. Technologische Neuerungen wie E-Autos können Autofahren viel umweltfreundlicher machen – gleichzeitig hat der Ukraine-Krieg die Benzinpreise massiv ansteigen lassen, sodass der ÖV im Vergleich zum Auto preislich attraktiver wurde.
Vielleicht sieht die Zukunft der Mobilität auch nicht überall gleich aus. Städte profitieren bereits heute von einem gut ausgebauten ÖV-Netz und Projekte wie der Ausbau der Bahnhöfe Bern oder Luzern stärken den urbanen ÖV weiter. Städter:innen könnten künftig also noch häufiger auf Schienen unterwegs sein. Auf dem Land hingegen, wo der öffentliche Verkehr seltener fährt und weniger Haltestellen umfasst, könnte das Auto auch in Zukunft wichtig bleiben. Strasse und Schiene, ÖV und Auto – die Schweiz wird wohl auch künftig beides brauchen.
Erstellt von Alina Zumbrunn