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23. Mai 2023

OECD/G20-Projekt zur Besteuerung grosser Unternehmensgruppen

Nicht nur über Klima- und Corona-Gesetze, auch über die Besteuerung grosser Unternehmensgruppen wird am 18. Juni abgestimmt. Klingt kompliziert? Ist es überhaupt nicht! Discuss it fasst für dich die Vorlage und die wichtigsten Argumente dazu zusammen.

Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und die G20 (Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer) haben ein gemeinsames Projekt, mit dem sie die Regeln zur Besteuerung grosser Unternehmen im internationalen Kontext ändern wollen. Die Schweiz und etwa 140 weitere Länder haben diesen neuen Regeln zugestimmt. Doch um die Steueranpassung in der Schweiz umzusetzen, braucht es eine Änderung der Bundesverfassung.

Was ist das Ziel der Vorlage?

Unsere Wirtschaft wird immer digitaler und globaler. Das bedeutet auch, dass ein Unternehmen mit Sitz in einem Land Produkte oder Dienstleistungen in anderen Ländern verkaufen kann, ohne dort Steuern zu bezahlen. Heutzutage lohnt sich das oftmals, da die Rahmenbedingungen für Steuern in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich sind. Das Mindeststeuer-Projekt der OECD und G20 will diesen Steuerwettbewerb verkleinern, Rechtssicherheit schaffen und verhindern, dass einzelne Länder Alleingänge machen.

Konkret umfasst das Projekt zwei Teile: Der erste Teil will, dass die grössten etwa hundert Unternehmen (jährlicher Umsatz von mindestens 20 Milliarden Euro und Profitabilität von mindestens 10 Prozent) neu dort besteuert werden, wo sie ihre Waren und Dienstleistungen verkaufen. Der zweite Teil soll ebenfalls nur die grossen Unternehmen betreffen (jährlicher Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro und eine Unternehmensgruppe, die in mindestens zwei Ländern tätig ist). Hier geht es darum, dass diese grossen Firmen mindestens 15 Prozent Steuern auf ihren Gewinn zahlen. Befindet sich ihr Sitz in einem Land, das weniger als 15 Prozent Steuern erhebt, können andere Länder die Differenz einfordern. Schätzungen des Bundes zufolge beträfe das in der Schweiz wenige hundert Schweizer Firmen und wenige tausend ausländische Firmen.

Was würde sich bei einer Annahme ändern?

In der Volksabstimmung vom 18. Juni geht es nur um den zweiten Teil des Projekts. Ob und wie der erste Teil umgesetzt wird, ist heute noch unklar. In der Schweizer Verfassung steht zurzeit, dass alle Unternehmen in der Schweiz steuerlich gleichbehandelt werden. Um den zweiten Teil des OECD/G20-Projekts umzusetzen, müsste also die Verfassung angepasst werden, sodass grosse Unternehmen stärker besteuert werden können. Deshalb gibt es eine Volksabstimmung.

Bei der Vorlage zur OECD/G20-Mindestbesteuerung handelt es sich um ein obligatorisches Referendum. Das obligatorische Referendum gibt es seit 1848 und besagt, dass immer dann, wenn das Parlament etwas an der Bundesverfassung ändern möchte, die Stimmbevölkerung über die Verfassungsänderung abstimmen muss. Beim obligatorischen Referendum muss nicht nur die Mehrheit der Bevölkerung Ja sagen, sondern auch die Mehrheit der Kantone.

Der Bund will vorläufig eine Ergänzungssteuer einführen, die zur kantonalen Unternehmenssteuer dazukommen soll. Das bedeutet, dass ein Unternehmen, welches aktuell weniger als die OECD/G20-Mindeststeuer bezahlt, so viel Ergänzungssteuern bezahlen muss, dass es insgesamt 15 Prozent Steuern bezahlt. Die zusätzlichen Steuereinnahmen sollen zu 75 Prozent dem Kanton zugutekommen, der diese Steuer erhebt, und zu 25 Prozent an den Bund gehen. Umgesetzt werden soll diese Ergänzungssteuer ab 2024.

Was sagen die Befürwortenden?

Die Befürwortenden finden, dass die Schweiz bei diesem Projekt mitmachen muss, um stabile internationale Rahmenbedingungen zu schaffen. Zwar schränke die Mindeststeuer den Steuerwettbewerb und die wirtschaftliche Standortattraktivität der Schweiz ein. Aber wenn die Schweiz nicht mitmache, könnten andere Länder die Differenz zu den 15 Prozent Steuern einfordern; dann würde das Ausland profitieren und die Schweiz leer ausgehen. Ausserdem würden Unternehmen vor zusätzlichen Verfahren im Ausland geschützt, wenn sie die Steuer direkt in der Schweiz zahlen. Zuletzt versprechen sich die Befürworter:innen auch, dass die ganze Schweiz von der Vorlage profitiert. Denn die zusätzlichen Steuereinnahmen kämen nicht nur den Kantonen zugute, sondern zu 25 Prozent auch dem Bund.

Was sagen die Gegner:innen?

Eine parlamentarische Minderheit hat sich gegen die Vorlage ausgesprochen. Sie monieren vor allem, dass die zusätzlichen Steuereinnahmen ungerecht über die Kantone hinweg verteilt würden. Eine kleine Zahl Kantone, die jetzt durch tiefe Steuern attraktiv und deshalb Standort vieler grosser Unternehmen ist, würde einen Grossteil des zusätzlichen Geldes erhalten. Die Gegner:innen fänden es stattdessen besser, wenn mehr als nur 25 Prozent des Geldes dem Bund zufliessen würde. In ihren Augen hat die Vorlage die Gelegenheit verpasst, den Steuerwettbewerb und Steuerunterschiede zwischen den Kantonen zu schwächen. Schliesslich fürchten sie auch um die Position der Gemeinden. In der Bundesverfassung würde nicht geregelt werden, wie viel Geld den Gemeinden zukäme, da das jeder Kanton selbst entscheiden solle. Das könnte dazu führen, dass die Gemeinden zu kurz kommen.

Was empfehlen Bundesrat und Parlament?

Bundesrat und Parlament empfehlen die Vorlage anzunehmen. Im Nationalrat wurde die Vorlage mit 127 Ja-Stimmen zu 59 Nein-Stimmen (bei 10 Enthaltungen) angenommen. Im Ständerat sogar mit 38 Ja-Stimmen zu 2 Nein-Stimmen (bei 4 Enthaltungen).

Und was denkst du: Soll die Schweiz beim Mindeststeuer-Projekt der OECD und G20 mitmachen? Oder ist die Verteilung der zusätzlichen Einnahmen zu unfair und einige Kantone kämen dabei zu kurz? Schreib es uns in die Kommentare und stimme am 18. Juni ab!

Erstellt von Alina Zumbrunn