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24. Februar 2025

Inside Abstimmungsbüro – wo die Demokratie ausgelebt wird

Wir kennen die Schweiz als eines der demokratischsten Länder auf der ganzen Welt. Vier Mal im Jahr finden auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene Abstimmungen statt. Alle vier Jahre, nach der sogenannten Legislatur (Amtsdauer), wird neu gewählt. Bereits einige Wochen vor dem Abstimmungssonntag gelangt das Stimmmaterial in die Haushalte. Ab diesem Zeitpunkt ist die briefliche Stimmabgabe möglich, bis dann am Abstimmungssonntag die Urnen geöffnet werden. Klar ist: Dahinter steckt ein grosser administrativer Apparat. Davon handelt dieser Blog.

Der Blick hinter die Kulissen

Es ist Sonntag. 8.00 Uhr. Die Schweiz stimmt ab. Auf der Stadtverwaltung der historischen Kleinstadt Lichtensteig im Toggenburg wird schon fleissig gearbeitet. Im Stimmbüro trifft man den Stadtpräsidenten, die Ratsschreiberin, eine Verwaltungsmitarbeiterin und drei Stimmenzähler:innen an. Im Raum liegt ein leichter Duft von Kaffee und die Anspannung auf die Resultate der Abstimmung. 

Die bereits eingegangen Stimmabgaben werden in einer Urne gesammelt. Diese ist fest verschlossen und mit einem Draht versiegelt – die sogenannte Plombierung. Nun ist der Moment gekommen und die Urne wird geöffnet. 

Die Ratsschreiberin schneidet die Couverts mit einer Maschine auf und legt diese den Stimmenzählern:innen vor. Darin enthalten ist der Stimmrechtsausweis und ein kleinerer Umschlag mit den Stimmzetteln. Die Couverts müssen jetzt auf Herz und Nieren geprüft werden. Zum einen wird kontrolliert, ob der Stimmrechtsausweis unterzeichnet ist. So bescheinigen die Stimmberechtigten, die Abstimmungsunterlagen nach eigenem Willen ausgefüllt zu haben. Andernfalls ist die Stimmabgabe ungültig und wird ausgesondert. Zum anderen müssen die Stimmzettel im kleineren Umschlag zwingend von Stimmrechtsausweisen getrennt sein. Ansonsten ist das bekannte Stimmgehemnis nicht gewährleistet und die Stimmabgabe ebenfalls ungültig. «Leider gibt es immer mal wieder ungültige Stimmabgaben. Das ist sehr schade. Es sind verlorene Stimmen!», erzählt mir ein Stimmenzähler.

Gewissenhaft beginnen die Stimmenzähler die Unterlagen zu sortieren. Für jede Vorlage gibt es einzelne Beigen: NEIN, JA, leer, ungültig. Da kommt man ab und an auch zum Schmunzeln. «Einmal ist mir auf einem Stimmzettel im Antwortfeld ein Herz mit der Aufschrift ‹Ich weiss doch auch nicht› begegnet. Ehrlich gesagt konnte ich mit der Person mitfühlen. Die Inhalte der Vorlagen sind vielfach kompliziert», erklärt mir eine Stimmenzählerin lachend.

Zwischendurch kontrolliert der Stadtpräsident die Stimmenzähler und schaut ihnen über die Schultern. Mir fällt auf, dass hier alles seine Ordnung hat. Kontrolle und Diskretion scheinen wichtige Instrumente zu sein. Wahlbetrug und Fälschung ist hier unmöglich.

Die Urne ist geöffnet

Der Uhrzeiger zeigt 11.00 Uhr. Für die kommende Stunde ist das Stimmbüro für den Urnengang geöffnet. Die Möglichkeit der persönlichen Stimmabgabe wird heutzutage immer weniger genutzt. Und doch schaut kurz nach halb Zwölf eine Person vorbei und wirft – erleichtert, doch noch die Stimme abgeben zu können – die Stimmunterlagen in die Urne ein. Auch hier wird klar getrennt. Denn am Ende des Tages werden die Urnengänge einzeln protokolliert.

Das Auszählen

In der Zwischenzeit ist die Urne wieder geschlossen, alles sortiert und die Anwesenden mit Gipfeli und Kaffee umsorgt. Die Beigen der Stimmunterlagen werden maschinell und doppelt gezählt. Im Halbkreis stehen alle um die Maschine und sehen zu. Solche Maschinen und Präzisionswaagen sind seit dem Jahr 2003 erlaubt. «Kürzlich ist das Gerät ausgefallen. Wir mussten alles von Hand zählen und das natürlich mehrmals. Da merkt man wieder, wie sehr man auf solche Hilfsmittel angewiesen ist», höre ich eine Verwaltungsmitarbeiterin sagen. Sobald die Resultate bekannt sind, trägt die Ratsschreiberin diese im Wahl- und Abstimmungsprogramm ein. Die Eingabe muss vom Kanton und Bund akzeptiert werden. Danach unterschreiben die Stimmenzähler:innen, der Stadtpräsident und die Ratsschreiberin das Wahlprotokoll. Die Ergebnisse können mit dem Wahlprotokoll publiziert werden Die Stimmunterlagen dürfen noch nicht vernichtet werden. Stattdessen kommen sie vorübergehend in eine versiegelte Schachtel und werden bei eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen bis zur Erwahrung des Ergebnisses durch den Bundesrat aufbewahrt. Die Stimmzettel von Wahlen und Abstimmungen des Kantons und der Gemeinden werden bis zur rechtskräftigen Erledigung von Beschwerden, wenigstens aber einen Monat lang, von der Gemeinde aufbewahrt. So ist es gesetzlich verankert.

Es bleibt spannend

Die Gemeinde Lichtensteig ist eine von 2’121 Gemeinden und hat fertig ausgezählt. Das Stimmbüro ist geschlossen. Nun ist Warten angesagt. Bis am Abend die Resultate aller Gemeinden bekannt sind und analysiert werden.

Die Zukunft des Abstimmens und Wählens

Auch im Bereich des Abstimmens und Wählens stehen Veränderungen an. Der Bund und die Kantone setzen vermehrt auf Digitalisierung und haben E-Voting ins Leben gerufen. Das soll Vorteile für unsere Demokratie bringen. So können keine ungültigen Stimmen abgegeben werden und die Auszählung wird vereinfacht. Wie sicher das ganze ist, hängt vom Programm ab, welches genutzt wird. Zurzeit werden in einigen Kantonen Versuche durchgeführt. Es ist eine Frage der Zeit, wie lange es das klassische Abstimmungsbüro noch gibt. Oder ob die Urnen irgendwann verschlossen bleiben.

Interessiert dich der Beruf der Stimmenzählerin oder des Stimmenzählers? In diesem Blog erfährst du mehr.

Bilder: Sascha Erni, Redaktor und Fotograf

Erstellt von Yael Länzlinger