15. Juni 2021
Ein Twitter-Rückblick: Das waren die Abstimmungen vom 13. Juni
Es war ein aussergewöhnlicher Abstimmungssonntag: Gleich fünf und teils hochemotionale Vorlagen kamen vor die Stimmbevölkerung. Entsprechend hoch schlugen die Wellen auch auf Twitter. Discuss it ordnet die Resultate vom 13. Juni anhand von Tweets ein.
CO₂-Gesetz
Auch wenn die Umfragen zeigten, dass es knapp hätte werden können: Nur wenige hatten im Vorfeld damit gerechnet, dass das neue CO₂-Gesetz von der Stimmbevölkerung abgelehnt würde. Dennoch sagten am Abstimmungssonntag 51,6 Prozent der Stimmbürger:innen Nein zur Vorlage. Überraschend ist die Ablehnung deshalb, weil das CO₂-Gesetz von einer breiten Mehrheit im Parlament und vom Bundesrat unterstützt wurde: Bis auf die SVP stellten sich alle grossen Parteien hinter die Vorlage.
Gescheitert ist die Vorlage wohl aus verschiedenen Gründen. Zum einen, da es keine genug starke Ja-Kampagne fürs CO₂-Gesetz gab, welches als «gutschweizerischer» Kompromiss zwar viele Befürworter:innen, aber wenige leidenschaftliche Verfechter:innen hatte. Auch bei den Klimastreikenden war die Begeisterung für das neue Gesetz eher verhalten. Zum andern hat sich die zeitgleiche Abstimmung mit den Agrar-Intiativen fürs CO₂-Gesetz wohl nachteilig ausgewirkt: Vor allem die eher konservativ stimmende Landbevölkerung ist an die Urne gegangen – und viele von Ihnen legten wohl nicht nur bei den Agrar-Vorlagen ein Nein ein, sondern offenbar auch beim CO₂-Gesetz.
Kommt noch hinzu, dass die Debatte insbesondere von der SVP auf die Kostenfrage gelenkt wurde. Das bedauerten viele Befürworter:innen des Gesetzes, wie etwa die Mitte-Ständerätin Andrea Gmür:
Komplett anders war die Stimmungslage bei den Gegner:innen des CO₂-Gesetzes, wie etwa beim FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen:
Wasserfallen spricht darauf an, dass die Freisinnigen in Bezug auf das CO₂-Gesetz gespalten waren. Eine Uneinigkeit mit Folgen: Am Montag trat FDP-Präsidentin Petra Gössi zurück. Gössi hatte im Vorfeld für das CO₂-Gesetz geworben – Gegner:innen wie Wasserfallen warfen ihr dabei vor, an der freisinnigen Basis vorbeizupolitisieren. Dass am Schluss die Mehrheit der FDP-Wählerschaft wohl gegen das CO₂-Gesetz stimmte und den Kurs von Gössi offensichtlich nicht unterstützte, trug vermutlich mit zu ihrem Rücktritt bei.
Agrar-Initiativen
Ebenfalls hochemotional war die Abstimmung zu den beiden Agrar-Initiativen. Der Abstimmungskampf wurde hart, teils gar gehässig geführt. Beleidigungen auf beiden Seiten bis zu Morddrohungen wurden geäussert. An der Urne wurden die Trinkwasser- wie auch die Pestizid-Initiative dann deutlich abgelehnt – mit jeweils rund 60,6 Prozent. Auch vom benötigten Ständemehr waren die beiden Initiativen sehr weit entfernt, nur gerade der Kanton Basel-Stadt sagte ja.
Trotz der Niederlage sehen sich die Befürworter:innen in ihrem Anliegen einer pestizidfreien Landwirtschaft bestätigt:
Einige Gegner:innen sprachen am Wahlsonntag nochmals die stark polarisierten Abstimmungskampagnen an. Ökonom Mathias Binswanger sieht die scharfe Kritik und das Unverständnis gegenüber den Bauern und ihrer Arbeitsweise auch als Grund fürs Scheitern der Initiativen:
Nachdem sowohl das CO₂-Gesetz als auch die beiden Agrar-Initiativen abgelehnt worden waren, trendete auf Twitter der Hashtag #SorryKids – als Reaktion auf einen Tweet von Komiker Dominic Deville:
Der Hashtag spielt vor allem auf die Klima-Jugend an, die von den Abstimmungsresultaten enttäuscht war.
PMT-Gesetz
Die Umfragen sagten ein klares Ja zum «Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT)» voraus, und einigermassen klar war auch das Ergebnis: 56,6 Prozent stimmten dafür. Ein komfortables Ja, aber doch ein deutlich schlechteres Resultat für die Befürworter:innen als erwartet. So sprechen die Gegner:innen denn auch von einem Achtungserfolg, insbesondere weil das Referendum hauptsächlich von den Jungparteien getragen worden war:
Politologe Lukas Golder sieht einen Grund für die relativ hohe Ablehnungsquote in sinkendem Vertrauen gegenüber den Behörden. Seit Ausbruch der Pandemie seien vier von zehn behördlichen Vorlagen abgelehnt worden – «das ist eine extrem hohe Ablehnungsquote», kommentierte Golder im Abstimmungsstudio von SRF. Umso mehr freuen sich die Befürworter:innen des PMT, dass die Vorlage durchgekommen ist:
Covid-Gesetz
Die fünfte Vorlage, über die am Sonntag abgestimmt wurde, betrifft das Covid-Gesetz. Von der Mehrheit im Parlament nahezu unbestritten, formierte sich Widerstand aus der Bevölkerung gegen das Gesetz – unter anderem auch aus dem Umfeld der Anti-Corona-Demos. Dennoch wurde das Covid-Gesetz mit einer deutlichen Mehrheit von 60,2 Prozent angenommen. Das kann als grundsätzliche Unterstützung des bundesrätlichen Corona-Kurses gelesen werden:
Das sehen die Gegner:innen etwas anders: Sie zählen es als Erfolg, dass sie fast 40 Prozent der Stimmbürger:innen überzeugen konnten – insbesondere, da keine Partei ausser der Jungen SVP aktiv gegen das Gesetz kämpfte.
Ob man nun mit den Resultaten zufrieden ist oder nicht, hervorzuheben sei insbesondere die starke Stimmbeteiligung: Mit fast 60 Prozent aller Stimmberechtigten waren es überdurchschnittlich viele Bürger:innen, die den Gang an die Urne machten – so viele wie seit 2016 nicht mehr. Seit Einführung des Frauenstimmrechts gingen nur an vier Abstimmungen mehr Leute an die Urne. Allerdings finden wir von Discuss it, dass da noch Luft nach oben ist. Darum: Bleib dran, informiere dich und nutze dein Stimmrecht!
Erstellt von Ann-Kathrin Amstutz