4. Oktober 2022
Bundesratswahlen
Es ist eines der wichtigsten und prestigeträchtigsten Ämter in unserem Land. Die Bundesrät:innen lenken als Regierung die Geschicke der Schweiz. In diesem Blog erfährst du, wie die Wahl in den Bundesrat abläuft.
Ulrich «Ueli» Maurer (SVP) tritt aus dem Bundesrat zurück. Nach vierzehn Jahren in der Landesregierung ist für den amtierenden Finanzminister Schluss. Damit wird per Ende Jahr ein Platz im siebenköpfigen Bundesrat frei. Nun stellt sich landesweit die Frage, wer Ueli Maurer als Bundesrat beerben wird – in einem der wichtigsten Ämter in der Schweiz. Doch wie läuft so eine Bundesratswahl eigentlich ab? Wer entscheidet dabei? Und könntest auch du dich in den Bundesrat wählen lassen?
Das bundesrätliche Profil
Spielen wir eine Bundesratswahl doch am Beispiel von Ueli Maurers Nachfolge durch. Nach dem Rücktritt geht die Suche nach geeigneten Personen los. Welche Kriterien müssen diese erfüllen? Theoretisch muss man nur in der Schweiz stimmberechtigt sein – also Staatsbürger:in und älter als 18 Jahre alt sein, um sich in den Bundesrat wählen zu lassen. Aber in der Praxis muss man ganz viele Bedingungen erfüllen. Sogenannte «wilde Kandidaturen» ohne Unterstützung der eigenen Partei sind in den meisten Fällen chancenlos.
Erstens muss die Person in der «richtigen» Partei sein, im vorliegenden Fall also wahrscheinlich in der SVP (die Erklärung dazu findest du in der Box zur «Zauberformel»). Es läuft denn auch schon die parteiinterne Suche. Zweitens sollen alle Landessprachen und Regionen im Bundesrat etwa gleichmässig vertreten sein. Dies ist die einzige in der Verfassung festgeschriebene Vorgabe (die heute aber auch nicht die konkrete Ausgestaltung vorschreibt). Drittens spielt auch die Geschlechterfrage eine Rolle: Da etwa die SVP noch nie eine Frau gestellt hat, fordern manche nun eine SVP-Bundesrätin. Darüber hinaus sind im Bundesrat Persönlichkeiten gefragt, die über Parteigrenzen hinaus Kompromisse eingehen können und auch ausserhalb der Parteien als «wählbare» Kandidat:innen gelten. Ach ja, und weil der Bundesrat die Schweiz regiert, sind Erfahrungen in einer Kantons- oder Gemeinderegierung (Exekutive) ebenfalls sehr gerne gesehen.
Die sogenannte «Zauberformel» bestimmte von 1959 bis 2003 die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrates. Demnach sollen die drei stärksten Parteien je zwei und die viertstärkste Partei eine Person für den Bundesrat stellen. Das bedeutete damals: 2 FDP, 2 CVP, 2 SP und 1 SVP. Obwohl die Zauberformel immer wieder kritisiert wurde, blieb sie über dreissig Jahre lang intakt – auch, weil sich bei Wahlen nur selten grössere Veränderungen zeigten. 2003 wurde dann aber die CVP-Bundesrätin Ruth Metzler abgewählt und Christoph Blocher zog für die SVP in den Bundesrat ein. Das führte dann zu einer «neuen Zauberformel», in welcher die CVP nur noch einen Sitz hatte und die SVP zwei Sitze bekam. Nach einer wechselhaften Phase von 2007 bis 2015 sind die Parteien gemäss dieser «neuen Zauberformel» im Bundesrat vertreten.
Heute passt das 2-2-2-1-Verhältnis aber nicht mehr zu den Parteistärken. Anstatt drei ungefähr gleich starken und einer deutlich schwächeren Partei gibt es heute mit der SVP eine einsame Spitzenreiterin. Nur sie hat noch einen weitgehend unbestrittenen Anspruch auf zwei Sitze, wenn es nach dem Wähler:innenanteil im Nationalrat geht. Denn erst mit einigem Abstand folgen SP, FDP, Mitte (ehemalige CVP) – und mit den Grünen auch noch eine vierte Partei. Auch die Grünliberalen, die in vergangenen Wahlen an Stimmen gewonnen haben, schielen trotz fehlenden Ständeratssitzen auf einen Sitz in der Landesregierung. Die Zauberformel scheint also nicht mehr zeitgemäss – immer zahlreicher werden die Stimmen, die ihre Abschaffung oder Neuinterpretation fordern.
Allianzen und Pakte: Es geht um viel Macht
Im konkreten Fall wird die SVP in den nächsten Wochen eine oder mehrere Personen als offizielle Kandidierende für das Bundesratsamt aufstellen. Oft genannte Namen sind etwa der Berner Nationalrat und ehemalige Parteipräsident Albert Rösti, die Zürcher Regierungsrätin und ehemalige Nationalrätin Natalie Rickli, die St. Galler Nationalrätin Esther Friedli oder der Fraktionschef und Nationalrat Thomas Aeschi aus dem Kanton Zug. Die Aufzählung zeigt auch, wie wichtig der Herkunftskanton ist und dass der Sitz wohl in Deutschschweiz gehen dürfte. Interessante Geschichte dazu: Falls keine Person aus dem Kanton Zürich gewählt werden würde, wäre dies tatsächlich erst das zweite Mal in der Geschichte der Schweiz, in der der bevölkerungsstärkste Kanton nicht in der Regierung vertreten wäre.
Eine Bundesratswahl ist immer ein ausserordentliches Ereignis in Bundesbern. Es geht um viel Macht und Einfluss – gerade weil Bundesrät:innen in der Schweiz nur sehr selten wieder abgewählt werden. Darum werden im Vorfeld oft besondere Allianzen und Pakte geschmiedet. Insbesondere die Nacht vor den Wahlen, die berüchtigte «Nacht der langen Messer» am Abend vor dem Wahltag, hat schon für einige Überraschungen gesorgt. Momentan laufen gerade die Diskussionen, ob auch die Grünen mit einer Kandidatur antreten. Seit ihrem Erfolg bei den nationalen Wahlen 2019 erheben sie Anspruch auf einen Sitz im Bundesrat.
Als Bundespräsident amtet im laufenden Jahr Aussenminister Ignazio Cassis (FDP). Die zweite FDP-Vertretung ist Justizministerin Karin Keller-Sutter. Für die SVP im Bundesrat sitzen Wirtschaftsminister Guy Parmelin und bis am 7. Dezember noch Finanzminister Ueli Maurer. Die «Mitte» ist mit Verteidigungsministerin Viola Amherd vertreten, und von der SP regieren Innenminister Alain Berset und Umweltministerin Simonetta Sommaruga.
Jedes Bundesratsmitglied steht also einem Departement vor. Wenn nun eine neue Person in den Bundesrat eintritt, kann es zu Verschiebungen kommen. Alain Berset werden zum Beispiel Wechselgelüste nachgesagt: Er könnte am frei werdenden Finanzdepartement interessiert sein. Das könnte eine grössere Rochade auslösen, da dann vielleicht jemand anderes ins einflussreiche, aber auch anspruchsvolle Innendepartement wechseln will. Grundsätzlich darf bei der Departementswahl die amtsälteste Person zuerst aussuchen (in der aktuellen Konstellation ist das Sommaruga, gefolgt von Berset). Jedoch müssen sich die Bundesrät:innen am Schluss im Sinne der Kollegialität auf eine Lösung einigen.
Der Bundesrat ist nämlich ein Kollegium. Das heisst, er fällt gegen aussen immer gemeinsame Entscheide und kommuniziert diese als Gremium. Gemäss dem «Kollegialitätsprinzip» müssen die Beschlüsse also von allen Mitgliedern mitgetragen werden, auch wenn ein Beschluss nicht der persönlichen Meinung eines Mitglieds entspricht.
So läuft die Wahl am 7. Dezember ab
Am 7. Dezember kommt es dann zum Showdown: Die Bundesversammlung, also der gesamte National- und Ständerat mit insgesamt 246 Mitgliedern, wählt eine:n Nachfolger:in von Ueli Maurer. Die Stimmabgabe ist geheim – es ist also nicht ersichtlich, wer für wen gestimmt hat. Die Wahl läuft in Runden, sogenannten Wahlgängen. Denn zur Wahl muss eine Person das absolute Mehr erreichen, also mehr als die Hälfte aller gültigen Stimmen auf sich vereinen. Ab dem dritten Wahlgang scheidet immer jene Person mit den wenigsten Stimmen aus – es dürfen nur noch Personen gewählt werden, die in den ersten zwei Wahlgängen Stimmen erhalten haben. So geht das weiter, bis jemand das absolute Mehr erreicht. Die Wahl wird erst dann rechtskräftig, wenn die gewählte Person die Wahl auch annimmt.
Nach der Wahl folgt die Vereidigung. Die gewählte Person schwört vor dem versammelten Parlament einen Eid auf die Schweizerische Verfassung. Erst danach ist die siebenköpfige Regierung wieder vollzählig. Die nächsten ordentlichen Bundesratswahlen stehen jedoch schon bald wieder vor der Tür: Ende 2023 müssen sich alle sieben Bundesrät:innen – nach der Neuwahl von National- und Ständerat – der Wiederwahl für die nächsten vier Jahre stellen.
Erstellt von Ann-Kathrin Amstutz