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2. April 2024

Bauernproteste: Wenn der Traktor die Strasse blockiert

Die Bauernproteste beschäftigen Europa seit einigen Monaten – und haben in jüngster Vergangenheit auch die Schweiz erreicht. In diesem Blog erfahrt ihr mehr über den Ursprung der Proteste, die Forderungen der Landwirt:innen und wie sich die Situation in Zukunft entwickeln könnte.

Die Bauernproteste beschäftigen Europa seit einigen Monaten – und haben in jüngster Vergangenheit auch die Schweiz erreicht. In diesem Blog erfahrt ihr mehr über den Ursprung der Proteste, die Forderungen der Landwirt:innen und wie sich die Situation in Zukunft entwickeln könnte.

In den letzten Monaten gingen immer wieder Bilder durch die Medien, in denen zwei Welten aufeinanderprallen: Tonnenschwere Traktoren stehen vor dem Brandenburger Tor, schütten Erdhaufen auf Autobahnen und blockieren ganze Grenzübergänge. Landwirt:innen – deren Lebensstil normalerweise romantisiert bis belächelt wird – gehen auf die Barrikaden; und das oftmals mitten in den Innenstädten. Doch was hat Bäuerinnen und Bauern in ganz Europa zu diesen Protesten bewegt?

Die Ursprünge der Bauernproteste

Die ersten Protestaktionen wurden in Deutschland im Dezember letzten Jahres durchgeführt. Sie waren eine Reaktion darauf, dass die deutsche Bundesregierung Steuererleichterungen für Landwirt:innen auf den Kauf landwirtschaftlicher Fahrzeuge und auf Agrardiesel kürzen wollte. Nebst der finanziellen Kürzungen beschwerten sich die Bäuerinnen und Bauern auch über immer mehr Regeln und Bürokratie.

Anfang dieses Jahres weiteten sich die Proteste dann nach ganz Europa aus: von Frankreich bis Ungarn und von Spanien über Griechenland bis Polen protestieren Landwirt:innen gegen die EU-Agrarpolitik – insbesondere gegen strenge Umweltauflagen und viel Bürokratie – sowie für bessere Preise für ihre Produkte. Gerade in Osteuropa protestieren viele Bäuerinnen und Bauern auch gegen billige Importe von Agrarprodukten aus der Ukraine; denn diese stellen für die lokale Landwirtschaft eine starke Konkurrenz dar.

Kein neuer Konflikt

Auch wenn die Proteste heute aktueller denn je scheinen, sind Interessenskonflikte rund um die Landwirtschaft kein neues Phänomen. Bereits seit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert kommt es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten bei der Agrarpolitik. Während vor der industriellen Revolution die meisten Menschen in der Landwirtschaft tätig waren, hat sich danach eine neue Interessengruppe gebildet: Arbeiter:innen, die in Städten wohnten und ihren Lohn in den Fabriken verdienten. Im Gegensatz zu den Landwirt:innen, die ihre Produkte möglichst teuer verkaufen wollten, hatten die Arbeiter:innen ein Interesse an tiefen Preisen, um sich von ihrem Geld möglichst viel kaufen zu können. So kam es in der Schweiz bereits bei Abstimmungen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu Polarisierung zwischen ländlicher und städtischer Bevölkerung, etwa wenn es um Importzölle oder Viehhandel ging.

In den 1920er Jahren wurden in vielen Kantonen auch Parteien gegründet, welche die Interessen der landwirtschaftlichen Bevölkerung vertraten. 1936 haben sich diese kantonalen Parteien dann zu einer nationalen Partei zusammengeschlossen: der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB), die sich 1971 in die Schweizer Volkspartei (SVP) umbenannt hat. So gibt es in der SVP bis heute viele Bäuerinnen und Bauern, die ins Parlament gewählt werden und sich für landwirtschaftliche Interessen einsetzen.

Die Landwirtschaft heute

Nicht nur arbeiteten durch die industrielle Revolution immer mehr Beschäftigte in Fabriken, sondern nach dem zweiten Weltkrieg auch im neu aufkommenden Dienstleistungssektor. Zusammen mit technologischem Fortschritt bei landwirtschaftlichen Maschinen hat das dazu geführt, dass immer weniger Menschen im Agrarsektor beschäftigt sind. Heute sind in der Schweiz nur noch etwa 2.4 % der erwerbstätigen Personen in der Landwirtschaft beschäftigt.

Gleichzeitig hat auch in der Gesellschaft ein Wandel stattgefunden: Werte wie Umweltschutz und Tierschutz wurden in den letzten Jahrzehnten immer stärker thematisiert und Sorgen um Düngemittel und Pestizide, Tierhaltung oder das Töten von Küken haben in der Landwirtschaft zu vielen neuen Regeln geführt.

Warum es in der Schweiz bisher nur wenige Bauernproteste gab

Bäuerinnen und Bauern sind also eine mittlerweile relativ kleine Gruppe, deren Arbeit starken Veränderungen unterliegt. Das hat sie in vielen europäischen Ländern zu Protesten mobilisiert, die schliesslich auch in die Schweiz übergeschwappt sind. Gerade in der Romandie, aber auch im Kanton Bern und in Zürich kam es ebenfalls zu Protestaktionen. Im Vergleich zum europäischen Ausland fallen die Proteste hierzulande aber deutlich schwächer aus.

Einerseits liegt das an der guten politischen Vernetzung der Schweizer Landwirt:innen durch den Bauernverband, über den landwirtschaftliche Anliegen auch ohne Protestaktionen in die Politik gelangen können. Ausserdem ist die staatliche Unterstützung der Landwirtschaft in der Schweiz deutlich höher als in den Nachbarländern. Und diese gute Beziehung wollen auch die Schweizer Bäuerinnen und Bauern nicht riskieren: Ihnen ist wichtig, dass ihre Aktionen in der Bevölkerung auf Verständnis stossen.

Die Reaktion der Politik

Die EU-Kommission hat auf die Bauernproteste reagiert und eine Reihe von Vorschlägen zur Unterstützung der Landwirtschaft gemacht, von denen einige sofort umgesetzt werden und andere nach dem Sommer eingeführt werden sollen. Die Vorschläge wurden von den Protestierenden positiv aufgenommen. Auch in der Schweiz werden den Landwirt:innen Zugeständnisse gemacht: So will der Kanton Waadt sie etwa administrativ entlasten durch weniger Kontrollen der Direktzahlungen.

Die Proteste scheinen also zu wirken und die Politik will die Landwirtschaft tatsächlich stärker unterstützen. Ob dieses Entgegenkommen ausreicht, um die europäischen und Schweizer Bauernproteste zu beenden, wird sich allerdings noch zeigen.

Erstellt von Alina Zumbrunn