Blog
Blog
16. März 2022

Abstimmungsprognosen

Viermal jährlich wird in der Schweiz auf nationaler Ebene abgestimmt. In den Medien wird jedoch meist schon Wochen vor dem Abstimmungssonntag über den möglichen Ausgang spekuliert. Wie Abstimmungsprognosen entstehen und wer sie in der Schweiz erstellt, erklären wir euch im heutigen Blog.

Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung. Und kaum ist ein Abstimmungssonntag vorüber, wird im Freundeskreis, in Zeitungen und im Fernsehen schon über den möglichen Ausgang der nächsten Abstimmung diskutiert. Dabei werden von verschiedenen Seiten auch immer wieder Prognosen über das Abstimmungsergebnis abgegeben. Doch wer erstellt diese Prognosen und wie entstehen sie überhaupt?

Wie wird prognostiziert?

Um Prognosen über den möglichen Ausgang von Wahlen und Abstimmen zu erstellen, gibt es viele verschiedene Möglichkeiten. Wohl am beliebtesten sind bei Schweizer Abstimmungen Bevölkerungsbefragungen. Dazu wird eine sogenannte Stichprobe von einigen hundert oder tausend Schweizer:innen ausgewählt und zu ihren Stimmabsichten befragt. Von dieser kleinen Gruppe an Befragten wird anschliessend gewichtet auf die gesamte Schweizer Bevölkerung geschlossen. So kann man ungefähr abschätzen, wie viele Prozent der Schweizer:innen planen, eine Vorlage anzunehmen.

Eine zweite Möglichkeit für Prognosen macht sich die Schwarmintelligenz zunutze. Dabei werden Menschen nicht direkt nach ihren Stimmabsichten gefragt, sondern nach ihrer Vorhersage zum Ausgang der Abstimmung. Diese Methode wird zum Beispiel bei Prognosemärkten verwendet. Ähnlich wie an der Börse können Menschen dort virtuelle Aktien zum Ausgang der Abstimmung handeln. Wenn dann beispielsweise viele Menschen glauben, eine Vorlage wird angenommen, wollen sie Ja-Aktien kaufen und der Preis der Aktie steigt. Durch den hohen Preis der Ja-Aktie lässt sich dann die Prognose erstellen, dass die Vorlage wahrscheinlich angenommen wird.

Eine weitere Prognosemöglichkeit besteht in der Befragung von Expert:innen. Politikwissenschaftler:innen können beispielsweise Parteiparolen, Abstimmungsplakate, Werbeausgaben oder Zeitungsartikel analysieren und daraus eine Prognose erstellen, welche Seite die besseren Gewinnchancen hat. Schliesslich gibt es auch die Möglichkeit, verschiedene dieser Ansätze zu kombinieren. Wenn viele verschiedene Prognosemodelle dasselbe Ergebnis vorhersagen, ist die Prognose ziemlich zutreffend.

Wer prognostiziert?

Bei Abstimmungen in der Schweiz sind besonders Bevölkerungsbefragungen beliebt. Eine der bekanntesten davon führt die «Gesellschaft zur Förderung der praktischen Sozialforschung» (gfs.bern) im Auftrag von SRG SSR durch. Zu zwei Zeitpunkten, die etwa sieben und zwei bis drei Wochen vor dem Abstimmungssonntag liegen, werden per Telefon und online jeweils mindestens 1’200 Menschen zu ihren Stimmabsichten befragt. Durch die zwei Zeitpunkte erfährt man nicht nur etwas über den möglichen Ausgang der Abstimmung, sondern auch über den Prozess der Meinungsbildung in der Bevölkerung. Schliesslich erlauben die Umfragen auch gewisse Aussagen zu bestimmten Gruppen in der Bevölkerung, wie beispielsweise unterschiedlichen Altersgruppen.

Eine weitere bekannte Befragung führt das Institut LeeWas im Auftrag von Tamedia durch. Zu drei Zeitpunkten – die etwa sieben, vier und zwei Wochen vor dem Abstimmungssonntag liegen – werden online jeweils zwischen 10’000 und 15’000 Personen befragt. Ausserdem werden ebenfalls im Auftrag von Tamedia auch nach dem Abstimmungswochenende nochmals rund 10’000 Menschen befragt, sodass die Meinungsbildung und das Stimmverhalten ausführlich untersucht werden können.

Ausserdem gibt es in der Schweiz auch eine Plattform, die mit einem Prognosemarkt die Abstimmungsergebnisse vorherzusagen versucht. 50plus1, ein Blog von Politikwissenschaftler:innen, lässt über 100 Teilnehmende Vorhersagen zu den Abstimmungsergebnissen machen. Ähnlich wie in einem Wettbüro können sie dabei auf einen bestimmten Ausgang der Abstimmung setzen. Zählt man die Wetten aller Teilnehmenden zusammen, erhält man dadurch eine Prognose. Diese Art der Analyse ermöglicht es jedoch nicht, einzelne Bevölkerungsgruppen und ihr Abstimmungsverhalten zu analysieren, sondern eignet sich primär, um den Ausgang der Abstimmung zu schätzen.

Wie genau sind Prognosen?

Natürlich gibt es keine ganz exakte Methode, den Ausgang einer Abstimmung vorherzusagen. Werbekampagnen, Medienberichte und andere Faktoren können auch ganz kurzfristig noch Stimmende mobilisieren oder ihre Meinung beeinflussen und erschweren somit eine langfristige Prognose. Die Befragungen und Prognosemärkte sind somit mehr eine Momentaufnahme als eine exakte Vorhersage. Noch schwieriger ist es ausserdem für Umfragen vorherzusagen, ob das bei Volksinitiativen und obligatorischen Referenden relevante Ständemehr erreicht wird.

Deshalb wird bei Bevölkerungsbefragungen oft auch ein Stichprobenfehler mit angegeben. Dieser beträgt meistens zwischen einem und drei Prozentpunkten und gibt an, in welchem Bereich das tatsächliche Abstimmungsergebnis wahrscheinlich liegen wird. Wird also in einer Umfrage ein Ja-Anteil von 53 Prozent vorhergesagt und der Stichprobenfehler beträgt 2 Prozentpunkten, dann werden am Abstimmungssonntag höchstwahrscheinlich zwischen 51 und 55 Prozent der Stimmenden ein Ja einlegen.

Gibt es Regeln für Prognosen?

In der Schweizer Abstimmungsforschung gibt es keine gesetzlichen Regelungen. Allerdings hat sich der Verband Schweizer Markt- und Sozialforscher vor rund zehn Jahren auf Drängen der Politik hin freiwillig eine «Karenzfrist» auferlegt. Diese Karenzfrist besagt, dass ab zehn Tagen vor dem Abstimmungssonntag keine Prognoseergebnisse mehr veröffentlicht werden dürfen. Das wurde entschieden, um die Stimmenden kurz vor dem Stichtag nicht mehr zu beeinflussen oder zu mobilisieren.

Ausblick

Der nächste Abstimmungssonntag ist am 15. Mai und die ersten Befragungen werden entsprechend bald durchgeführt werden. Die Prognosemärkte von 50plus1 haben sogar schon seit Mitte Februar geöffnet. Falls du also schon jetzt einen kleinen Vorgeschmack auf die kommenden Abstimmungen willst, dann schau in ihrem Blog vorbei. Und ansonsten keine Sorge: Discuss it wird dich auch über diese Abstimmungen auf dem Laufenden halten!

Erstellt von Alina Zumbrunn