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21. April 2025

Die Schweizer Dienstpflicht: Was kommt auf die Generation von morgen zu?

In diesem Blog bringen wir euch das Thema der Schweizer Dienstpflicht näher. Wir werfen einen Blick auf die aktuellen Entwicklungen rund um die Wehrpflicht, Zivildienst und Zivilschutz. Wie steht die Schweiz heute zur Dienstpflicht und welche Veränderungen zeichnen sich ab? Das erfahrt ihr hier.

Ausgangslage

Wie funktioniert die Schweizer Dienstpflicht heute?

Die Schweiz verfolgt ein einzigartiges Milizprinzip. Diesem Prinzip liegt die Idee zugrunde, dass öffentliche Aufgaben von Bürger:innen ehrenamtlich und nebenberuflich übernommen werden sollen. Dies ist beispielsweise in der Feuerwehr oder bei politischen Ämtern der Fall. Aber auch die Schweizer Dienstpflicht ist nach dem Milizprinzip organisiert.
In der Schweiz gibt es drei Bereiche, in denen die Wehrpflichtigen ihren Dienst leisten können:

  • Militärdienst: Der Militärdienst als Soldat:in in der Schweizer Armee dauert in der Regel 18 Wochen im ersten Jahr, mit sechs Wiederholungskursen danach. Da die Schweiz nicht Mitglied eines Militärbündnisses wie der NATO ist, spielt ihre eigene Armee eine zentrale Rolle im Sicherheitskonzept des Landes.
  • Zivildienst: Der Zivildienst bildet eine Alternative zum Militärdienst, die von jungen Männern in Anspruch genommen werden kann, welche aus moralischen oder religiösen Gründen den Militärdienst verweigern. Er beinhaltet häufig soziale Arbeit, wie etwa im Gesundheitswesen. Der Zivildienst dauert ungefähr 1,5 Mal länger als der Militärdienst.
  • Zivilschutz: Der Zivilschutz kommt in Krisensituationen, etwa bei Naturkatastrophen oder anderen Notfällen, zum Einsatz. Junge Männer, die nicht zum Militärdienst oder Zivildienst fähig sind, werden häufig in den Zivilschutz eingeteilt.

Wer sich aus Überzeugung oder aus gesundheitlichen Gründen von der Wehrpflicht befreien lässt, muss in der Schweiz eine Wehrpflichtersatzabgabe zahlen. Diese Abgabe wird jährlich erhoben und beträgt eine Summe, die nach dem Jahreseinkommen berechnet wird. Die Abgabe wird in die Finanzierung des Militärs, Zivildienstes und Zivilschutzes rückinvestiert.

In der Schweiz gilt die Wehrpflicht aktuell nur für männliche Bürger, die das 18. Lebensjahr erreicht haben. Frauen können zwar freiwillig in die Armee eintreten, jedoch gibt es nach wie vor keine gesetzliche Verpflichtung für sie, einen Dienst zu leisten. 
Im Jahr 2023 wurden etwa 36’000 junge Männer für den Militärdienst aufgeboten. Etwa 7’000 junge Männer wählen den Zivildienst anstelle des Militärs. Die Militär- und Zivildiensttauglichkeit beträgt kombiniert rund 80 % (Quelle).
Bei den Frauen leisten rund 2’000 Frauen leisten jährlich Militärdienst – das sind nur etwa 1-2 % der gesamten Rekruten. Die Zahl der Frauen in der Armee steigt jedoch kontinuierlich (Quelle).

2023 betrugen die Ausgaben für das Verteidigungsbudget der Schweiz rund 30 Milliarden Franken, was rund 0,74 % des Bruttoinlandprodukts ausmacht. Unter anderem als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine beschloss das Parlament im Dezember 2024 eine Erhöhung des Armeebudgets in den Jahren 2025–2028 um 4 Milliarden Franken (Quelle).

Aktuelle Diskussionen

Welche Weiterentwicklungen der Dienstpflicht werden aktuell diskutiert?

Die Dienstpflicht ist in der Schweiz ein hochpolitisches Thema, da sie nicht nur mit Sicherheit und Verteidigung zu tun hat, sondern auch mit gesellschaftlichen Werten, Geschlechterrollen und demokratischen Prinzipien. So gibt es mehrere aktuelle Entwicklungen, welche die Zukunft der Dienstpflicht betreffen.

Ein Beispiel ist die Service Citoyen Initiative, die vor allem von Vertreter:innen der GLP und EVP initiiert wurde. Sie fordert die Einführung eines obligatorischen sozialen Dienstes für alle jungen Menschen, unabhängig von Geschlecht oder sozialen Hintergründen. Im Wesentlichen soll jeder junge Mensch nach der Schule oder Ausbildung eine Art gesellschaftlichen Dienst leisten.
Befürworter:innen argumentieren, dass ein obligatorischer Service Citoyen den Zusammenhalt der Gesellschaft stärkt, indem verschiedene Generationen und soziale Gruppen stärker vernetzt werden. Kritiker:innen befürchten jedoch, dass ein solcher obligatorischer Dienst die individuelle Freiheit einschränken, zu einer Überlastung der Zivilgesellschaft führen, und unverhältnismässige Kosten verursachen könnte. Die Initiative kommt voraussichtlich im Jahr 2026 zur Volksabstimmung.

Ein weiteres aktuelles Thema ist der Bericht zur Weiterentwicklung der Schweizer Armee und zur Wehrpflicht, welcher 2022 vom Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) veröffentlicht wurde. Zwei zentrale Vorschläge aus diesem Bericht sind die Sicherheitsdienstpflicht und die bedarfsgerechte Dienstpflicht.

  • Sicherheitsdienstpflicht: Die Sicherheitsdienstpflicht würde eine Erweiterung der Wehrpflicht darstellen, bei der nicht nur das Militär, sondern auch andere Sicherheits- und Krisenbereiche wie Cyberabwehr und Zivilschutz in den Fokus rücken. Sie sieht vor, dass weiterhin nur Männer dienstpflichtig sind. Männer können entweder in der Armee oder im Katastrophenschutz, einer neuen aus Zivilschutz und Zivildienst fusionierten Organisation in der Zuständigkeit der Kantone, tätig sind.
  • Bedarfsorientierte Dienstpflicht: Die bedarfsorientierte Dienstpflicht würde die Dienstpflicht auf Schweizer Frauen ausweiten. Gemäss der bedarfsorientierten Dienstpflicht würden junge Menschen nicht mehr pauschal für einen Militärdienst aufgeboten werden, sondern nur noch je nach den realen Bedürfnissen der Armee gemäss Sicherheitslage.

Diese Vorschläge im Bericht des VBS zeigen, dass die Schweiz die Wehrpflicht an die modernen sicherheitspolitischen Herausforderungen anpassen möchte.

Ein nächster wichtiger Entwicklungspunkt ist die Einführung eines obligatorischen Orientierungstags für alle Schweizer Frauen. Dieser Tag ist nicht mit einem vollständigen Dienst verbunden, sondern soll jungen Frauen die Möglichkeit geben, sich einen Überblick über den militärischen Dienst, den Zivilschutz und den Zivildienst zu verschaffen. Der Bundesrat begrüsst diesen Vorschlag. Da dies jedoch eine Änderung der Bundesverfassung bedingt, wird dies noch einige Jahre in Anspruch nehmen.

Schliesslich sorgt auch die aktuelle internationale sicherheitspolitische Lage für Diskussionen um die Schweizer Dienstpflicht. Mit den wachsenden Bedrohungen im Bereich der Cyberkriminalität, terroristischem Extremismus und geopolitischen Spannungen stellt sich immer häufiger die Frage, wie die Schweiz ihre Verteidigungsstrategie in einem zunehmend unsicheren globalen Umfeld anpassen kann. Besonders der Krieg in der Ukraine hat das Thema Verteidigung, Sicherheit, und Militär verschärft. In den letzten Jahren hat die Schweiz immer stärker versucht, ihre Sicherheitsstrategie multilateraler auszurichten, indem sie etwa in Friedensmissionen der UNO und humanitären Einsätzen mitarbeitet, ohne sich militärisch zu engagieren. Zudem gibt es eine verstärkte Kooperation mit NATO-Staaten im Bereich der Cyberabwehr und Grenzsicherung.  Auch die Teilnahme an internationalen Sicherheitskonferenzen und Friedensgesprächen ist ein wichtiger Bestandteil der schweizerischen Aussenpolitik.

Politische Positionen

Wie stehen die grössten Schweizer Parteien zur Dienstpflicht?

Bürgerliche Parteien (FDP, SVP)
Die bürgerlichen Parteien stehen der Wehrpflicht grundsätzlich positiv gegenüber. Sie betrachten den Milizstaat und die Wehrpflicht als wesentliche Stützen der Schweizer Sicherheitspolitik. Die FDP befürwortet die Milizstruktur und hält die Wehrpflicht für notwendig, um die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz sicherzustellen. Auch wenn die FDP für eine Kostenreduktion und Effizienzsteigerung im Verteidigungsbereich plädiert, möchte sie die Wehrpflicht nicht abschaffen, sondern die Armee eher modernisieren. Die SVP sieht die Wehrpflicht ebenfalls als zentrale Säule der Schweizer Verteidigung. In ihrer Sichtweise ist der Dienst in der Armee nicht nur eine Frage der Sicherheit, sondern auch eine Frage der nationalen Identität und Verantwortung.

Parteien der Mitte (Mitte, GLP)
Die Parteien aus dem politischen Zentrum verfolgen eine differenzierte Haltung zur Dienstpflicht. Sie sehen den Dienst an der Gesellschaft grundsätzlich breiter, wobei sowohl Militärdienst als auch Zivildienst legitime Optionen darstellen. Die Mitte schlägt vor, dass sich die Wehrpflicht stärker an den tatsächlichen Bedarfen der Armee orientieren sollte, um Ressourcen effizienter zu nutzen. Sowohl die Mitte als auch die GLP sprechen sich für eine stärkere Einbindung der Frauen in den Wehrdienst aus.

Linke Parteien (Grüne, SP)
Die linken Parteien haben eine grundsätzlich kritischere Haltung zur Wehrpflicht und zur Militärstruktur der Schweiz. Die Grünen lehnen die Wehrpflicht grösstenteils ab und fordern eine Reduzierung der Militärausgaben zugunsten von Friedensförderung und Umweltschutz. Die SP fordert eine deutliche Abschaffung der Wehrpflicht zugunsten einer beruflichen Armee. Sie argumentiert, dass eine berufliche Armee nicht nur kostengünstiger wäre, sondern auch den Zivildienst aufwerten würde, der aus ihrer Sicht ein wertvoller Beitrag zum gesellschaftlichen Wohl ist. Die SP sieht in der Wehrpflicht auch ein Instrument der sozialen Ungleichheit, da sie vor allem junge Männer trifft.

Auch junge Menschen in der Schweiz haben eine klare Meinung zur Wehrpflicht und zu den aktuellen Entwicklungen im Bereich der Verteidigungspolitik. Eine Studie der Militärakademie (MILAK) an der ETH gibt dazu Aufschluss (Quelle):

  • 53% der 18 bis 29-Jährigen sind der Meinung, dass die Wehrpflicht modifiziert oder abgeschafft werden sollte. Über die gesamte Bevölkerung hinweg gesehen sind lediglich 38% dieser Ansicht.
  • 68% der 18 bis 29-Jährigen unterstützen die Einführung eines obligatorischen Dienstes für Männer und Frauen mit freier Wahl für Militärdienst, Zivildienst oder Sozialdienst. Dies entspricht auch ungefähr der Ansicht der Gesamtbevölkerung.
  • 38% der der 18 bis 29-Jährigen unterstützen, dass die Wehrpflicht auch für Frauen eingeführt werden sollte. Auch hier ist der Rest der Bevölkerung ungefähr gleicher Meinung.
  • Die Zufriedenheit der 18 bis 29-Jährigen mit der Armee liegt lediglich bei 5.7 von 10 Punkten, während die Gesamtbevölkerung durchschnittlich 6.4 Punkte vergibt.

Fazit

Die zunehmenden politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die Dienstpflicht spiegeln die Veränderungen wider, welche die Schweiz sowohl im Bereich der Sicherheitspolitik als auch in ihrer Gesellschaft insgesamt durchlebt.
Besonders junge Menschen, welche die Dienstpflicht derzeit selbst durchleben oder sie noch vor sich haben, bilden in diesem Kontext eine bedeutsame Stimme und haben die Chance, dadurch die politische Richtung massgeblich mitzugestalten.

Erstellt von Clara Goebel