27. September 2024
Was bedeuten die Präsidentschaftswahlen in den USA für die Schweiz?
Am 5. November 2024 finden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Diese Wahlen sind nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern auch international und für die Schweiz von grosser Bedeutung. Daher werfen wir heute einen Blick auf die Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA, die Wahlen in den USA, sowie mögliche Auswirkungen des Wahlausgangs auf die Schweiz.
Die Beziehungen zwischen den USA und der Schweiz
Die USA und die Schweiz sind als sister republics bekannt. Diese Bezeichnung bringt zum Ausdruck, dass die USA und die Schweiz sich als nahestehende Staaten sehen, die trotz ihrer unterschiedlichen Grösse ähnliche gesellschaftliche und politische Überzeugungen teilen. Beide Länder sind für ihren politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Liberalismus bekannt und zeichnen sich durch einen föderalistischen Staatsaufbau aus. Das bedeutet, dass sie in Regionen (in der Schweiz die Kantone, in den USA die Bundesstaaten) unterteilt sind, die jeweils gewisse Selbstverwaltungsrechte besitzen und ihre eigenen Gesetze erlassen können.
Seit 2021 gibt es einen institutionalisierten Dialog zur strategischen Partnerschaft zwischen den USA und der Schweiz, an dem das US-Aussenministerium, die US-Botschaft und der Schweizer Bundesrat teilnehmen. Der Dialog bietet eine strukturierte Plattform, um gemeinsame Interessen und Herausforderungen zu besprechen, Kooperationsmöglichkeiten zu identifizieren und die bilateralen Beziehungen zu stärken.
Wirtschaftliche Beziehungen
Die Schweiz und die USA pflegen enge wirtschaftliche Beziehungen. So bilden die USA die wichtigste Destination für Schweizer Exporte, insbesondere von Pharma- und Chemieprodukten, Präzisionsinstrumenten, sowie Maschinen und Uhren. Im Jahr 2021 überholten die USA nach 70 Jahren Deutschland als wichtigsten Exportpartner der Schweiz.Die Geschäfts- und Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern nehmen seit mehreren Jahren kontinuierlich zu (Quelle).
Exporte der Schweiz in ausgewählte Staaten (1988–2021) | Quelle
Diplomatische Beziehungen
Auch auf diplomatischer Ebene arbeiten die Schweiz und die USA eng zusammen. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Schweiz im Rahmen ihrer «Guten Dienste» als diplomatische Vermittlerin die Interessen der USA in Ländern wie dem Iran oder Kuba vertreten. Zuletzt arbeitete die Schweiz bei der Ukraine-Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock eng mit den USA zusammen.
Die «Guten Dienste» der Schweiz bezeichnen ihre Rolle als neutraler Vermittler in internationalen Konflikten und diplomatischen Initiativen. Die Schweiz nutzt ihre Neutralität, um Friedensverhandlungen zu ermöglichen und als neutraler Gastgeber für internationale Gespräche zu fungieren.
Herausforderungen in den Beziehungen
Trotz der guten Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA gab es in der Vergangenheit auch Konfliktfelder:
Nachrichtenlose Vermögen: In den 1990ern geriet die Schweiz in Auseinandersetzungen mit den USA (damals unter Clinton) betreffend Geldern, die während des Zweiten Weltkriegs auf Schweizer Banken deponiert und nie beansprucht wurden. Viele dieser Vermögen gehörten Holocaust-Opfern, deren Erben keinen Zugang zu den Geldern hatten. Infolgedessen einigten sich Schweizer Banken darauf, finanzielle Entschädigungen an Holocaust-Opfer und deren Erben zu zahlen.
Bankgeheimnis: In 2012 wurde die Schweiz von den USA (damals unter Obama) unter Druck gesetzt, ihr traditionell striktes Bankgeheimnis zu lockern. Schlussendlich sah sich die Schweiz gezwungen, die Namen mehrerer Tausend Steuerbetrüger an die US-Steuerbehörden übergeben, um rechtlichen Konflikten mit den USA auszuweichen und die bilateralen Beziehungen nicht zu gefährden.
In den USA stehen im November die 60. Präsidentschaftswahlen für die Amtsperiode 2024 – 2028 an. Der:die Präsident:in der USA nimmt eine zentrale Rolle im politischen System des Landes ein:
1) Chef der Exekutive: Der:die Präsident:in leitet die Regierung zwecks der Umsetzung der Gesetze. Dies bedeutet, dass er oder sie die Regierungsbehörden führt, um die Gesetzesbeschlüsse des Kongresses in die Tat umzusetzen.
2) Oberbefehlshaber der Streitkräfte: Der:die Präsident:in ist verantwortlich für die nationale Verteidigungspolitik und trifft wichtige Entscheidungen über den Einsatz des Militärs.
3) Staatsoberhaupt und Regierungschef: Als Repräsentant:in der USA auf internationaler Bühne beeinflusst der:die Präsident:in das weltweite politische Klima und pflegt diplomatische Beziehungen zu anderen Nationen.
Im Vergleich zu anderen demokratischen Staaten hat der:die US-Präsident:in mehr Macht, da das amerikanische politische System eine stärkere Konzentration der Exekutivbefugnisse auf den Präsidenten resp. die Präsidentin vorsieht. In parlamentarischen Systemen wie Deutschland oder Grossbritannien sind die Befugnisse stärker auf das Parlament verteilt. Auch der Schweizer Bundesrat, dessen Macht kollektiv und durch das Konsensprinzip geprägt ist, hat vergleichsweise geringere Befugnisse als der:die US-Präsident:in.
Präsidentschaftskandidierende
Bei den beiden grössten Parteien, der Republikanischen Partei und der Demokratischen Partei, haben sich Donald Trump und Kamala Harris als Kandidierende für das Amt des Präsidenten resp. der Präsidentin durchgesetzt:
1) Kamala Harris, ehemalige Vizepräsidentin unter Joe Biden, kandidiert für die Demokraten. Joe Biden hat sich als amtierender Präsident aus dem Rennen zurückgezogen. Harris hat den gegenwärtigen Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, als ihren Vizepräsident-Kandidaten benannt.
2) Donald Trump, ehemaliger Präsident, tritt für die Republikaner an. Trump hat den derzeitigen US-Senator für Ohio, James Vance, als seinen Vizepräsident-Kandidaten gewählt.
Die Republikanische Partei, auch bekannt als GOP (Grand Old Party), ist eine der beiden grossen politischen Parteien in den Vereinigten Staaten. Sie wird oft als eher konservativ beschrieben. Ihr wirtschaftlicher Fokus liegt auf der Förderung von Unternehmensfreiheit, niedrigen Steuern und der Deregulierung von Märkten. Darüber hinaus setzt sich die Partei für eine starke nationale Verteidigung und eine restriktive Einwanderungspolitik ein. Zuletzt legen die Republikaner grossen Wert auf traditionelle Werte sowie persönliche Freiheit und Eigenverantwortung.
Die Demokratische Partei ist die andere grosse politische Partei in den USA. Sie wird oft als eher progressiv beschrieben. Die Demokraten setzen sich für eine erweiterte soziale Sicherheit, Umverteilung des Wohlstands durch progressive Besteuerung, eine integrative Einwanderungspolitik und umfassende Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen ein. Sie unterstützen auch Massnahmen zum Schutz des Klimas und der Umwelt.
Neben diesen zwei Hauptkandidierenden treten auch einige Bewerber:innen an, die entweder parteilos sind oder Drittparteien angehören. Diesen Kandidierenden werden jedoch nur geringe Chancen zugesprochen, da das Zweiparteiensystem in den USA stark etabliert ist und Parteilose sowie Drittparteien traditionell Schwierigkeiten haben, sich in den Medien durchzusetzen und genügend Wählerunterstützung zu gewinnen.
Vor der Wahl im November werden im September und Oktober Fernsehdebatten zwischen den Präsidentschaftskandidierenden Harris und Trump sowie ihren Vizepräsidentenkandidaten Walz und Vance ausgetragen. Die Debatte zwischen Harris und Trump hat bereits stattgefunden.
Ein wichtiger Bestandteil des Wahlkampfes sind ausserdem die Auftritte der Kandidierenden in verschiedenen Bundesstaaten, insbesondere in den Swing States. Swing States, auch als «Battleground States» bezeichnet, sind US-Bundesstaaten, in denen bei Wahlen häufig kein klarer Favorit erkennbar ist und die Unterstützung zwischen der Republikanischen und der Demokratischen Partei variiert. Aufgrund dessen sind Swing States häufig das Hauptaugenmerk der Wahlkampagnen, da sie entscheidende Wahlstimmen für den Gesamtsieg liefern können.
Nachdem im November entweder per Briefwahl oder im Wahllokal gewählt wird, beginnt ab Januar die Amtszeit des neuen Präsidenten resp. der neuen Präsidentin.
Auswirkungen der Wahlen auf die Schweiz
Je nachdem, wer die Präsidentschaftswahlen gewinnt, könnten sich die Politik der USA und damit auch die Beziehungen zur Schweiz unterschiedlich entwickeln. Da Donald Trump bereits 2017 bis 2021 als US-Präsident tätig war, lässt sich seine politische Linie etwas besser einschätzen als diejenige von Harris.
Mögliche Auswirkungen unter Kamala Harris
Wirtschaft: Als Vizepräsidentin hat Harris die Politik von Biden unterstützt, die darauf abzielte, amerikanische Unternehmen mit Investitions- und Subventionspaketen zu fördern. Ein zentrales Programm ist dabei der Inflation Reduction Act (IRA), der mit knapp 400 Milliarden Dollar Investitionen in erneuerbare Energien, Infrastruktur und Technologie finanziell unterstützt. Auch Schweizer Firmen wie der Zement- und Baustoffhersteller Holcim oder das Chemieunternehmen Sika haben davon profitiert (Quelle).
Handel: Harris wird voraussichtlich den Protektionismus im Welthandel fortsetzen, eine Politik, die auch unter Trump und Biden bereits verfolgt wurde. Protektionismus bedeutet, dass staatliche Massnahmen ergriffen werden, um inländische Anbieter vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Dies geschieht durch Massnahmen wie Zölle auf importierte Waren, Importquoten und andere Handelsbarrieren, die darauf abzielen, den Wettbewerb durch ausländische Produkte zu reduzieren und die Entwicklung der eigenen Industrie zu fördern. Im Vergleich zu Trump würde Harris vermutlich eine mildere Form des Protektionismus anstreben, die den internationalen Handel nicht in gleichem Masse belastet. Dies ist insofern für die Schweiz wichtig, als die USA die wichtigste Destination für Schweizer Exporte sind (Quelle).
Umwelt: Biden hat 2021 den Wiedereintritt der USA in das Pariser Klimaabkommen initiiert. Mit Harris würde die Verpflichtung zur Bekämpfung des Klimawandels in Zusammenarbeit mit anderen Staaten, darunter auch der Schweiz, vermutlich fortgeführt werden.
Beziehungen: Harris spricht sich für eine stärkere US-Beteiligung an einem Multilateralismus aus. Dieser Ansatz zielt darauf ab, globale Herausforderungen wie Klimawandel, Sicherheitsfragen und humanitäre Krisen in Zusammenarbeit mit verschiedenen Staaten zu bewältigen. Dazu bedarf es internationaler Institutionen, die als Plattformen zwecks Koordination und Verhandlungen dienen. Die Schweiz spielt hierbei eine besondere Rolle, da sie in solchen Kontexten häufig als diplomatische Vermittlerin und neutrale Gastgeberin auftritt (Quelle).
Mögliche Auswirkungen unter Donald Trump
Sicherheitslage: Trump ist bekannt für seinen Isolationismus, das heisst die Betonung staatlicher Eigeninteressen und die Vermeidung von Bündnisverpflichtungen. Dies äussert sich beispielsweise, indem sich Trump für eine Reduzierung der Hilfsgelder an die Ukraine im Konflikt mit Russland stark macht, was einen Einfluss auf die gesamteuropäische Sicherheitslage haben könnte. Ausserdem möchte Trump die USA weniger stark in internationale Verteidigungsbündnisse wie die NATO einbinden. Auch die Schweiz ist als neutraler Staat kein Mitglied der NATO, beteiligt sich jedoch am NATO-Programm «Partnerschaft für den Frieden» (Quelle).
Wirtschaft: Trump hat sich für Steuersenkungen ausgesprochen. Dies könnte Raum für private Investitionen schaffen, wovon auch Schweizer Banken, die in den USA vertreten sind, profitieren könnten (Quelle). Auf der anderen Seite wird Trump grundsätzlich als Unsicherheitsfaktor am Markt wahrgenommen. Dies könnte den Schweizer Franken stärken, da Anleger den Franken als sicheren Hafen betrachten. Ein starker Franken bedeutet, dass Schweizer Produkte im Ausland teurer werden, was Exporte aus der Schweiz erschweren würde (Quelle).
Handel: Im Rahmen einer stark protektionistischen Politik könnte Trump Importzölle von bis zu 10 % erheben, um die heimische Wirtschaft zu schützen. Dies würde der Schweiz schaden (Quelle). Gleichzeitig bevorzugt Trumps Administration bilaterale Handelsabkommen, was die Verhandlungen mit der Schweiz theoretisch erleichtern könnte. Ein Freihandelsabkommen wurde bereits mehrfach mit Trump diskutiert, konnte jedoch bislang nicht umgesetzt werden (Quelle). Dies ist ein Vertrag, der den Handel zwischen zwei Ländern erleichtert, indem er Handelshemmnisse wie Zölle und Importbeschränkungen abbaut. Ein Freihandelsabkommen würde dazu führen, dass Schweizer Unternehmen ihre Produkte einfacher und kostengünstiger auf dem US-Markt verkaufen können, während US-Firmen Zugang zu Schweizer Märkten erhalten.
Umwelt: Trump würde die USA von internationalen Klimaschutzvereinbarungen abkoppeln, wie er bereits 2020 mit dem Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen signalisiert hat. Dies steht im Widerspruch zu den Klimazielen der Schweiz.
Beziehungen: Trump hat die US-Beteiligung an internationalen Organisationen kritisiert und reduziert. Dies könnte die multilateralen diplomatischen Bemühungen der Schweiz untergraben. Auf der anderen Seite eröffnen sich der Schweiz möglicherweise direktere Verhandlungswege mit den USA, da die Schweiz kein Mitglied der EU ist (Quelle).
Obwohl deutliche Differenzen in den politischen Linien von Harris und Trump erkennbar sind, gibt es auch einige Expert:innen, die es mit Blick auf die Schweiz nicht für entscheidend halten, ob die Demokraten oder die Republikaner das Rennen gewinnen. So hat sich am Grundstrom in den Wirtschafts-, Handels- und Diplomatie-Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA sich in den letzten dreissig Jahren – unabhängig von der Parteizugehörigkeit der Präsident:innen – wenig verändert (Quelle).
Mit diesem Wissen bleiben wir gespannt auf den Wahlausgang am 5. November.
Erstellt von Clara Goebel